Mensch, Martha!: Kriminalroman
verlässt den Raum, als die Beamten
hier ihre Arbeit fortsetzen. Sie entschuldigt sich für einen Moment,
geht ins Treppenhaus, steckt sich eine Zigarette an und wählt
erfolglos die Nummer von Barbaras Handy an. Es ist fast Bettgehzeit
für Rebekka. Martha bleibt nichts anderes übrig. Sie ruft die
Nummer der Metzgerei an. Lieber Gott, schick Papa ans Telefon!
»Metzgerei Morgenstern. Was
kann ich für Sie tun?«
Marthas Stoßgebet wird nicht
erhört. »Mama? Ich bin es.«
»Guten Abend, Martha. Rebekka
wartet auf dich.«
»Mama, ich kann sie heute
nicht abholen. – Ich komme hier nicht weg!«
Schweigen am anderen Ende. Mensch Mutter! Mach es mir doch nicht so schwer!
»Rebekka müsste heute bei
euch schlafen. – Mama? Bist du noch dran?«
»Mama, Mama, Mama! Wenn ich
das schon höre! Hast du dein Versprechen neulich von der
Charaktertransplantation noch nicht wahrgemacht?!«
Martha lehnt sich erschöpft
ans Treppengeländer. Sie nimmt einen tiefen Zug von der Zigarette.
»Du willst dir absolut nichts
von mir sagen lassen. Andererseits brauchst du ständig meine Hilfe«,
legt ihre Mutter nach.
»Willst du denn das eine vom
anderen abhängig machen?«
Martha bekommt keine Antwort. Ich stehe hier in einem fremden Treppenhaus. Kollegen nebenan
geben ihr Bestes, damit ein Mann, der fiese Kinderpornos dreht,
dingfest gemacht wird. Und ich führe Grundsatzdiskussionen mit
meiner Mutter.
Die Wohnungstür öffnet sich,
Frau Wolf und die Beamten kommen heraus. Sie wollen sich von ihr
den Keller zeigen lassen.
»Mama, es gibt auch
verheiratete Mütter, die nicht Polizistinnen sind. Selbst die
brauchen dann und wann Hilfe von der Oma.«
»Ich tu es für Rebekka.« Es
klickt in der Leitung.
Ich wandere aus. Zusammen
mit Rebekka.
Frau Noll hat eine Brille aufgesetzt, die ihr
Briella auch empfohlen hätte. Sie blättert in einer Kladde.
»Hier, Morgenstern, die nehmen Sie an sich. Das sind
offensichtlich zwei Tagebücher von der Jüngeren. Fechter hat
sie unter der Matratze gefunden.« Sie steckt ihre Brille wieder ins
Etui. »Das machen sie aber morgen, verstanden? Es wird sowieso
dauern, bis dieser ganze Krempel hier gesichtet ist.« Sie
deutet auf die Kisten mit den sichergestellten Videos und CD-ROM.
Frau Wolf kommt mit den Beamten
zurück. »Wir sind fertig«, sagt Fechter.
Martha gibt Frau Wolf eine
Visitenkarte. »Wir möchten morgen mit Herrn Zeller sprechen.
Vierzehn Uhr auf der Dienststelle.«
»Ich schätze, er wird kommen.
Weil er sich das nicht gefallen lässt. Dass man ohne Grund sein –
unser – Eigentum hier wegschleppt.«
Martha nimmt Frau Noll mit zurück. »Morgenstern,
was halten Sie von dem allen?«
Martha zuckt mit den Schultern.
»Ich hoffe, dass wir irgendwas finden. Ich faxe Ihnen morgen das
ausführliche Gespräch mit der jüngeren Schwester. Ich meine, sie
ist glaubhaft ...« Martha seufzt.
»So wie die andere auch? Diese
Scherbaum?« hakt Frau Noll ein.
Martha schluckt. »Ich war am
Samstag ... nicht in Form.«
»Rechtfertigen Sie sich nicht.
Vergessen Sie es!«
Dann fang du nicht wieder
damit an!
Beim Aussteigen bedankt sich
Frau Noll für das Fahren. »Insbesondere die Hinfahrt hat mir
gefallen!«
Mir nicht.
Bevor sie die Wagentür
zuschlägt, steckt sie den Kopf nochmals herein. »Über eines
sollten wir aber trotz allem gut nachdenken, Morgenstern. Welches
Interesse hat dieser Kinderarzt an dem Ganzen?« Verdammt,
darüber denke ich die ganze Zeit schon gut nach .
Martha stellt den Dienstwagen ab und bringt
Corinnas Tagebücher in ihr Büro. Sie will sie nicht mit nach
Hause nehmen. Sie raucht eine Zigarette und macht sich dann auf den
Heimweg. Sie schlägt den Weg zur U-Bahn-Haltestelle ein. Aber es
zieht sie nicht nach Hause. Ihr graut vor der leeren Wohnung. Rebekka
schläft längst. Vielleicht legt sich Barbara heute Nacht zu ihr ins
große Bett. Warum, zum Teufel, hat sie ihr Handy ausgeschaltet?
Martha sucht in ihrem Handy
nach Thomas’ Telefonnummer. Dann überlegt sie es sich anders und
steigt in die Straßenbahn ein.
Die Fenster seiner Wohnung sind alle dunkel.
Martha klingelt. Keine Reaktion. Mensch,
Thomas, was ist los?
Martha gelangt ins Haus, als
eine Frau mit Dackel von ihrem Spaziergang zurückkommt. Sie klingelt
und klopft an der Wohnungstür. »Thomas! Ich bin es!« Bitte
mach auf. Sonst mache ich mir wirklich Sorgen. Sie schlägt mit
der Faust gegen die Tür. »Thomas! Thomas!«
Eine andere Wohnungstür geht
auf. Ein Mann mit geschätzten
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