Mensch, Martha!: Kriminalroman
zählt die Briefkästen
und kommt auf 32 Parteien. Die Türen der Briefkästen sind
teilweise verbeult oder verbogen, manche fehlen. Unerwünschte
Wurfsendungen werden offensichtlich gleich auf dem Boden entsorgt.
Mitunter auch unwillkommene Briefe in Fensterkuverts.
»Hier!« Frau Noll deutet auf
einen Briefkasten. Das Rechteck, in das ein Namensschild geschoben
werden kann, ist leer. Darunter klebt ein Zettel. Rita Wolf – Frank
Zeller – Sabrina und Corinna Färber.
»Wir müssen checken, wo
dieser Zeller polizeilich gemeldet ist. Womöglich hat der eine
eigene Wohnung und hier nur einen Unterschlupf«, stellt Martha
fest.
»Das machen Sie oben«,
bestimmt Frau Noll.
Frau Noll und die zwei Beamten
fahren mit dem Lift, Martha läuft die Treppe. Es gibt kaum eine
Wohnungstür, vor der nicht irgendetwas abgestellt ist:
eine Schachtel mit leergefressenen Katzenfutterdosen gehobener
Qualität, Schuhe, Skateboards, leere Bierkisten,
Kinderfahrräder. Herr Salger würde hier seine Lebensaufgabe
finden.
Zwischen dem zweiten und
dritten Stock versucht Martha, Barbara zu erreichen, erwischt
aber wieder nur die Mailbox. Sie hinterlässt eine Nachricht:
Ich kann Rebekka nicht abholen. Bitte ruf mich auf dem Handy an.
»Haben Sie jetzt unterwegs
eine gequalmt?« fragt die Noll ungeduldig. Sie und die zwei
Kollegen stehen vor der Wohnungstür und haben offensichtlich auf
Martha gewartet.
Die Tür ist vollgepflastert
mit Hanuta-Stickern. Ein Türkranz mit künstlichem Tannengrün und
einem grinsenden Elchgesicht weist auf das vergangene oder kommende
Weihnachtsfest hin.
Martha drückt auf den
Klingelknopf.
Eine Frau, wahrscheinlich kaum
älter als Martha, öffnet die Tür. Sie trägt eine Jogginghose und
ein ausgewaschenes T-Shirt. Ihre blonden Haare hat sie
nachlässig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
Martha zeigt ihren Ausweis.
Ihre Hand zittert leicht. Ich sollte gelassener mit solchen
Situationen umgehen. »Sie sind Frau Wolf?«
Die Frau nickt. Verwirrt blickt
sie von einem zum anderen. Frau Noll übergibt ihr den
Durchsuchungsbeschluss. Frau Wolf starrt ihn an und fragt dann wie
hypnotisiert: »Ja, aber warum denn?«
»Wohnt Frank Zeller hier?«
»Ja, aber er ist nicht zu
Hause.«
Die gegenüberliegende
Wohnungstür öffnet sich einen Spalt. Frau Wolf registriert es und
gibt den Weg in die Wohnung frei.
Sie gehen ins Wohnzimmer. Es
ist relativ ordentlich aufgeräumt. Neben dem Sofa allerdings
entdeckt Martha sechs leere Bierflaschen und eine leere
Schnapsflasche. Der Aschenbecher auf dem Couchtisch ist gut
gefüllt. Auf einem Tisch unter dem Fenster steht ein Computer. Die
Beamten machen sich an ihre Arbeit. Martha fragt auf der Dienststelle
nach, wo Frank Zeller gemeldet ist. Man will zurückrufen.
Frau Wolf zündet sich eine
Zigarette an. Ich beneide dich um gar nichts. Nur um diese eine
Zigarette.
»Nach was suchen Sie denn
überhaupt?«
»Hat Ihr Lebensgefährte eine
Video- oder Digitalkamera? Eine Webcam?« fragt Martha.
»Eine Digitalkamera. Ist das
ein Verbrechen?« Kommt darauf an, was man damit filmt .
»Wie lange kennen Sie Frank
Zeller schon?«
»Etwa seit einem Jahr.«
»Und wie lange wohnt er schon
hier?«
»Genauso lang.«
Marthas Handy klingelt in der
Jackentasche. Lieber Gott, lass es Barbara sein.
Sie sieht am Display sofort,
dass es die Dienststelle ist. Frank Zeller ist in dieser Wohnung
gemeldet.
»Wo ist er jetzt?«
»Er arbeitet. Er hat einen Job
bei Schubert & Schubert, dem Hausmeisterdienst. Laub
zusammenrechen und so.«
Frau Noll mischt sich nicht in
das Gespräch ein. Trotzdem ist Martha froh, nicht alleine zu sein.
Denn später wird sie ihre Eindrücke mit Frau Noll austauschen.
Sie werden beide zum gleichen Schluss kommen. Frau Wolfs
Ahnungslosigkeit war nicht gespielt.
Irritiert verfolgt sie, wie die
Beamten die Festplatte des Rechners sichern, eine Digitalkamera,
mehrere Videokassetten, CD-Roms und zwei USB-Sticks mitnehmen.
Abgesehen von dem, was offen in Schränken und auf dem Computertisch
steht und liegt, finden sie nichts.
Martha lässt sich das Zimmer
der Schwestern zeigen. Es ist ein kleiner Raum mit Etagenbett. Die
Betten sind ungemacht, die Wände mit Poster beklebt. Fluch der
Karibik scheint hoch im Kurs zu stehen. Auf dem Boden sind
Schokoladenpapiere, Wäschestücke, Buntstifte, Stofftiere,
Musik-CDs verstreut. Bei Rebekka würde es ähnlich aussehen,
würde ich sie nicht zum Aufräumen zwingen und ihr dabei auch
gelegentlich helfen. Martha
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