Mensch, Martha!: Kriminalroman
sechzig Kilo Übergewicht steht im
Türrahmen. »Mach hier keinen solchen Radau! Er wird seine Gründe
haben, wenn er dir nicht aufmacht. Vielleicht hat er eine
andere!« Die Tür fliegt mit lautem Krachen zu.
Martha wählt Thomas’ Nummer.
Sie hört sein Telefon durch die Wohnungstür klingeln. Geh ran!
Sonst rufe ich die Bereitschaftspolizei. Und einen Krankenwagen.
Endlich hebt er ab. »Endlich!«
sagt Martha erleichtert.
»Martha, bist du das?« Seine
Stimme klingt, als wäre er eben aus einer Vollnarkose erwacht.
»Mach auf. Ich stehe in deinem
Treppenhaus. Der Dicke nebenan schimpft schon.«
Sie spürt sein Zögern durch
das Telefon. »Los, mach schon! Ich will keinen Sex von dir!«
Verstohlen wendet sie sich um.
Die Wohnungstür des Übergewichtigen ist geschlossen.
Thomas legt auf und ein paar
Sekunden später öffnet sich die Wohnungstür. Er trägt eine
Pyjamahose und ein T-Shirt. Seine linke Backe ist noch dicker
geworden, auch die Augen sind geschwollen. Er hat Schüttelfrost.
»Komm, leg dich gleich wieder hin«, bestimmt Martha und schiebt ihn
Richtung Schlafzimmer.
Er will sie ins Wohnzimmer
dirigieren. »Martha ...«, sagt er schwach.
»Hast du etwa Besuch? In
deinem Zustand?« Sie linst ins Schlafzimmer. Bettzeug und
Bettvorleger sind ziemlich versaut. Die Gulaschsuppe.
»Komm, ich zieh dir das Bett
ab!«
»Martha, ich will das nicht.
Es ist mir ...«, sagt er kraftlos und setzt sich in einen
Korbsessel. Martha deckt ihn mit einer Wolldecke zu. »Hast du eine
Wärmflasche?«
»So etwas führe ich nicht.
Martha, ich bin ein Mann!«
Sie wechselt die Bettwäsche,
stopft sie mit dem Bettvorleger in die Waschmaschine, schaltet sie
aber nicht ein. »Lass sie morgen früh laufen. Es stört die anderen
Hausbewohner. Ich weiß, wovon ich rede.«
Er legt sich wieder ins Bett,
Martha deckt ihn mit der Bettdecke zu und wirft noch die Wolldecke
darüber.
»Danke, Mutter!«
Martha setzt sich auf die
Bettkante. Auf dem Nachttisch liegen mehrere Tablettenpackungen.
Schmerzmittel . Er ist tatsächlich aus einer Vollnarkose erwacht!
»Sag bloß, du hast nochmals
nachgelegt? Du bringst dich um!«
Er schließt die Augen. »Aber
die Schmerzen sind jetzt endlich besser. Morgen früh geh ich gleich
zum Zahnarzt.«
»Bitte. Bitte mach das. Ich
mach mir wirklich Sorgen um dich.«
»Das tut mir gut.«
»Aber mir überhaupt nicht.«
»Hast du die Noll noch
erwischt? Gibt es was Neues?«
»Ja, eine Hausdurchsuchung.
Die Noll ist gleich mit. Ich musste sie fahren.«
»Du Ärmste!«
»Mit Blaulicht und
Martinshorn.«
»Die Ärmste!«
»Von wegen. Es hat ihr
gefallen. – Jedenfalls haben wir eine Menge Zeug sichergestellt.
Mal sehen, was rauskommt.«
Marthas Handy klingelt. Sie
schaut auf das Display. Barbara.
»Mensch, Barbara! Endlich! Was
treibst du?«
»Tut mir leid. Hab eben erst
die Mailbox abgehört. Rebekka schläft. Ich lege mich heute Nacht zu
ihr. Ich bring sie morgen auch in die Schule.«
»Danke. Ich hatte ein
Scheißgespräch mit Mutter.«
Barbara seufzt. »Kann ich mir
vorstellen. Horch zu. Rebekka kann morgen nicht zu Susanna. Die hat
Scharlach. Rebekka kommt nach der Schule zu uns. Ich bringe sie dir
dann um sechs.«
»Barbara, ich liebe dich. Ich
will die nächste Zeit unter gar keinen Umständen bei euch
auftauchen.«
»Verstehe. Gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
»Ist alles in Ordnung bei
euch?« Thomas hat sich zur Seite gedreht und seine Hand über
die linke Gesichtshälfte gelegt.
Ach Thomas, ich würde so
gerne mit dir reden. Aber du bist halbtot. »Alles im Lot.«
Martha nimmt seine Hand weg und küsst ihn zum zweiten Mal an diesem
Tag auf die Wange.
»Das tut mir gut.«
»Ich komme morgen vorbei und
schau nach dir.«
»Danke.«
Martha verpasst die Straßenbahn und nützt die
Gelegenheit, zwei Zigaretten zu rauchen.
Zu Hause riskiert sie eine Rüge
von Herrn Salger und lässt sich Badewasser einlaufen.
Dann legt sie sich in Rebekkas
Bett, obwohl ihr die Matratze eigentlich zu weich ist. Sie zieht
Rebekkas Teddybären zu sich heran und macht etwas, das sie schon
ganz lange nicht mehr getan hat. Sie weint.
–13–
Straßenberger klopft an den Türstock von Marthas
Büro. Er begrüßt sie mit: »Ich habe eine sehr schlechte und
eine schlechte Nachricht. Welche wollen sie zuerst hören?«
»Die sehr schlechte kenne ich
schon. Hiller hat sich krank gemeldet. Und die schlechte ahne
ich. Beckers Krankmeldung wurde bis Ende des Jahres verlängert.«
»Nicht ganz. Bis
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