Mensch, Martha!: Kriminalroman
Tabletten genommen
werden. Sie sind mit möglichst viel Flüssigkeit nach der Mahlzeit
einzunehmen. Das Reaktionsvermögen kann stark beeinträchtigt
werden.« Sie begutachtet die leere Blisterhülle.
»Das waren zehn Stück! Kein
Wunder, dass du völlig stoned bist!«
»Die ersten hab ich auf dem
Parkplatz beim Zahnarzt genommen.« Seine Stimme klingt
verwaschen.
»Mensch, Thomas!«
»Mensch, Martha!«
Ella bringt den Kamillentee und
stellt ihn bei Martha ab. Martha nimmt den Beutel heraus, kippt
kräftig Zucker hinein und rührt um. Dann schiebt sie das Teeglas zu
Thomas.
»Du bist wie eine Mutter.«
»Vorsicht, sehr heiß!« warnt
Ella und stellt eine riesige Suppentasse auf den Tisch. Martha
hätte zu gerne eine vor der Tür geraucht, will aber Thomas
nicht alleine lassen.
Nachdem er die Suppe
ausgelöffelt hat, lehnt er sich zurück und legt seine Hand auf
ihren Unterarm. Ein Hauch Farbe ist in sein Gesicht
zurückgekehrt. »Mensch, Martha. Was ist das für eine Scheiße?
Warum bin ich nicht Gärtner geworden?«
»Weil ich das heute sonst mit
Becker hätte durchziehen müssen.«
Er lacht mit der rechten
Gesichtshälfte. »Das mit der kleinen Schwester hast du gut
hingekriegt.«
»Ach was. Sie hat einfach
geredet.« Martha zerpflückt einen Bierdeckel. »Die letzten
Tage – ich meine die Befragungen von Nicole Scherbaum und diesem
Radspieler – haben gezeigt, was ich für eine Polizistin bin. Eine
Pfeife bin ich.«
»Grönemeyer kann auch nicht
singen und macht trotzdem verdammt gute Musik.«
»Starker Trost.«
»Martha, wir müssen heute
unbedingt noch etwas anleiern. Wenn der Wind kriegt, lässt er alles
verschwinden«, sagt Thomas schwerfällig.
»Darüber denkst du aber heute
nicht mehr nach. Ich fahre dich jetzt heim.«
Thomas widerspricht nicht. Sie
winkt Ella zum Bezahlen. »Sieh zu, dass du die Noll noch erreichst.
Und lass dir von Ella noch eine Schachtel Zigaretten bringen, damit
wenigstens du durchhältst!« Er legt seinen Geldbeutel auf den
Tisch. »Mach du das. Mir verschwimmt alles vor den Augen.«
Bis Ella die Rechnung bringt,
versucht Martha, Barbara mit dem Handy anzurufen. Sie will ihr sagen,
dass sie Rebekka nicht pünktlich abholen kann. »Verdammt. Sie
hat ihr Handy ausgeschaltet!«
»Sag halt deiner Mutter
Bescheid.
»Geht nicht.«
»Streit?«
»So was Ähnliches.«
Martha bringt Thomas nach Hause. »Wie
geht es denn Barbara eigentlich?« fragt er an einer roten
Ampel. Er kennt Barbara von einer Skiwoche im Oberallgäu. Im
Februar war die Scheidung zwischen Thomas und seiner Frau Beate
ausgesprochen worden. Das hatte ihm schwer zu schaffen gemacht.
Martha konnte ihn überreden, mit auf diese Skihütte zu kommen. Sie
waren zu sechst gewesen: Martha, Rebekka, Ute, Thomas, Barbara
und Rainer.
Wie geht es Barbara
eigentlich? Irgendwann sage ich es ihm. »Soweit ganz gut.«
»Grüße sie von mir. Falls
sie sich noch erinnert.«
»Mach ich.«
Sie hält vor dem Wohnblock, in
dem Thomas seit seiner Scheidung ein Apartment bewohnt. Das
Reihenhaus hat er Beate überlassen.
»Soll ich noch mit hoch
gehen?«
Er hat die Augen geschlossen
und den Kopf an die Rückenlehne gelehnt. »Nein, es geht schon.«
»Okay. Leg dich gleich ins
Bett.« Martha küsst ihn vorsichtig auf die geschwollene Backe.
»Gute Besserung.«
»Danke.«
–12–
Auf dem Weg zur Dienststelle raucht Martha endlich
eine Zigarette. Sie genießt jeden Zug und denkt dabei an die
Eiferer, die sich für ein Rauchverbot beim Autofahren einsetzen.
Von ihrem Büro aus telefoniert
sie mit Staatsanwältin Noll. »Du liebe Güte, Morgenstern! Haben
Sie am Ende eine neue Geschichte?«
Martha bemüht sich, die neue
Geschichte in zehn Sätzen zu schildern.
»Na prima! Ich wollte eben
nach Hause fahren. Sie haben alles auf Tonband?«
»Ja.«
»Schreiben Sie das Wesentliche
nieder und mailen Sie es mir. Ich warte so lange in meinem Büro.
Zehn Minuten?«
Martha schaltet den Rechner
ein, zündet sich eine Zigarette an und lässt das Tonband laufen.
Während sie tippt, raucht sie freihändig.
Nachdem sie die Mail
abgeschickt hat, vergeht nur eine knappe Minute, ehe das Telefon
klingelt. »Morgenstern? Wie ich lese, ist der Nachname des Mannes
unbekannt, aber Sie haben die Adresse der Mutter?«
»Sie wohnt irgendwo in
Neuperlach.«
»Wir durchsuchen die Wohnung.
Sie kommen mit.«
Genau das habe ich
befürchtet.
»Ich kümmere mich um den
Durchsuchungsbeschluss und um EDV-Leute. In zehn Minuten holen Sie
mich
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