Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
kein Geräusch gehört, weder aus der Küche noch aus ihrem Zimmer – aber er hatte auch nicht bemerkt, dass die Wohnungstür geöffnet und geschlossen worden war. Zum Teufel noch mal, dachte er. Und wenn seine eigene Tochter jetzt in ihrem Bett lag und von einem zweifelhaften Franzosen verführt wurde!
Das war mehr, als er ertragen konnte. Er hatte sich selbst klargemacht, dass Sara inzwischen achtzehn Jahre alt war und dass er selbst sein sexuelles Debüt im Alter von sechzehn gehabt hatte. Aber das war irrelevant, und Letzteres war kein Erlebnis gewesen, das er seiner geliebten Tochter wünschte.
Andererseits wünschte er auch nicht das Erlebnis, dass er seinen Kopf bei ihr ins Zimmer steckte, während sie gerade nackt in den Armen eines Franz … verflucht noch mal!, dachte er. Ich ertrage es nicht. Ich bin primitiv wie ein Gorillamännchen und vorurteilsvoll wie ich weiß nicht was. Wer bin ich denn, dass ich mich in ihr Leben mische? Vor gar nicht langer Zeit habe ich in meinem Gedächtniskino gesehen, wie eine nackte Frau auf mir saß. Es ist ja wohl vollkommen normal, wenn …
Aber dieser Pferdeschwanz! Er hatte einen Pferdeschwanz, dieser Yann. Wenn es etwas gab, das Gunnar Barbarotti nur schwer ertrug, dann war es ein Mann mit Pferdeschwanz. Das war wie …
Blödsinn!, protestierte sein Über-Ich. Du bist nur eifersüchtig, du väterliche Glucke! Misch dich nicht in das Leben deiner mündigen Tochter ein!
Und so weiter. Die Gedanken rumpelten nur halb ausgegoren und fast hysterisch in seinem Kopf herum, aber mitten in diesem trostlosen Ringkampf hörte er plötzlich das Klicken der Wohnungstür. Er setzte sich im Bett auf und lauschte angestrengt … das war … das war Sara, die nach Hause kam. Nur eine Person? Er lauschte weiter, spitzte die Ohren und versuchte die Geräusche vom Flur zu analysieren. Ja, nur eine.
Gut. Erleichtert seufzte er tief. Sara hatte mit dem Franzosen einen kleinen Spaziergang gemacht. Sie hatten sich vor dem VW-Bus getrennt, und er hatte die Erlaubnis bekommen, ihr einen kleinen Kuss auf die Wange zu geben. Sie hatten sich versichert, Kontakt zu halten, hatten ihre E-Mail-Adressen ausgetauscht, und morgen würde er sich bereits auf der Autobahn durch Dänemark und Deutschland befinden. Ausgezeichnet.
Gunnar Barbarotti schaute auf die Uhr. Zwanzig Minuten vor eins. Jetzt lege ich mich mit gefalteten Händen auf den Rücken und denke so lange über den Fall Jane Almgren nach, bis ich einschlafe, beschloss er.
Das dauerte noch einmal fünfundvierzig Minuten, und als er einschlief, gab es immer noch genauso viele Fragezeichen wie vorher. Aber er hatte sie zumindest in seinem Kopf aufgelistet, immerhin.
Und sie gezählt. Vier Stück. Natürlich Hunderte kleiner, aber genau besehen waren es nur vier große Fragezeichen.
Das erste betraf die Verbindung zwischen Jane Almgren und Walter Hermansson. Obwohl inzwischen anderthalb Tage vergangen waren, seit Linda Eriksson ihre makabre Entdeckung in der Wohnung ihrer Schwester in der Fabriksgatan gemacht hatte, war es ihnen nicht gelungen, irgendeinen Zusammenhang zu finden.Falls es überhaupt einen gab. Vielleicht hatten die beiden sich einfach in dieser Nacht irgendwo in der Stadt getroffen, und Jane hatte Walter mit nach Hause geschleppt. Ihn getötet und zerstückelt. Es gab einiges, was für diese Version sprach, wie Gunnar Barbarotti fand, und er meinte zu wissen, dass auch Eva Backman diese Theorie vertrat. Zwar hatte Jane schon früher in ihrem Leben eine Zeit lang in Kymlinge gelebt. Das war vor vielen Jahren gewesen – während Walter Hermansson noch in der Allvädersgatan daheim bei seinen Eltern wohnte. Aber sie waren nie in dieselbe Schule gegangen. Außerdem war Walter zwei Jahre älter – und von den Menschen, mit denen sie bisher hatten sprechen können, hatte niemand eine Beziehung zwischen den beiden herstellen können.
Vielleicht, dachte Gunnar Barbarotti, während er dalag, ins Dunkel starrte und dem Regen lauschte, der vorbeizog und einen Rap aufs Fensterblech trommelte, vielleicht war es auch ganz einfach nur so, dass sie ihn vom Fernsehen wiedererkannte? Konnte es so infam sein? War das der Grund für sein trauriges Schicksal gewesen?
Wenn sie ihn sich überhaupt gezielt ausgesucht hatte. Wenn es nicht nur der reine Zufall gewesen war, dass ausgerechnet er hatte dran glauben müssen, wie gesagt. Man durfte nicht vergessen, dass sie nicht ganz normal war.
Auf jeden Fall Fragezeichen Nummer zwei. Der
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