Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
andere? Wer war er? Gab es eine Verbindung zwischen ihm und Walter Hermansson? Zwischen ihm und Jane? Und wann war er gestorben? Es gab überzeugende Gründe dafür, anzunehmen, dass Walter seine Tage irgendwann um den 20. Dezember herum beendet hatte – aber wie war es mit seinem Unglückskameraden im Eis? Wie lange hatte der dort gelegen? Es würde ein paar Tage dauern, das herauszufinden, aber in gut einer Woche würde man das wohl sagen können.
Ein Junkie? War es Walter Hermansson so schlecht gegangen, dass er in diese Kategorie passte? Barbarotti nahm das nicht an, es gab nichts, was darauf hindeutete, dass er Drogen in größerem Umfang genommen hatte, es wäre sehr überraschend gewesen, wenn ihnen so etwas entgangen wäre, nachdem sie mehr als ein halbes Jahr in seinem Leben gewühlt hatten.
Wenn es überhaupt einen Sinn hatte, nach Berührungspunkten zwischen den Gefrierschrankkumpanen zu suchen.
Nummer drei … Gunnar Barbarotti hatte schon immer leidenschaftlich gern Listen aufgestellt, in jüngeren Jahren hatte er Schreibhefte voll mit Aufzeichnungen über alles Mögliche: alle Fußballspieler der höchsten Spielklasse, italienische Städte, Astronauten, afrikanische Tiere, die höchsten Gebäude der Welt und Staatsoberhäupter, die ermordet wurden … Nummer drei also: Warum?
Das war eine außerordentlich wichtige Frage – wobei er sich fragte, ob sie wohl jemals eine befriedigende Antwort darauf bekommen würden. Die Antwort darauf, warum man zwei Männer tötet, sie zerteilt und in seinem Gefrierschrank aufbewahrt … ja, so ein Motiv lag wahrscheinlich ziemlich gut verborgen in den inneren finsteren Höhlen solch einer Täterin. Wie üblich. Das war nichts, was ein einfacher Kriminaler so einfach verstehen und verdauen konnte. Und die Tatsache, dass sie außerdem selbst tot war, bedeutete, dass man sie nicht mehr fragen konnte – und vermutlich, dachte Gunnar Barbarotti, vermutlich war es ebenso gut, es gar nicht zu wissen.
Es gab natürlich eine geringe Chance, dass Jane Almgren nicht die Täterin war. Wie er Backman schon erklärt hatte. Dass sie sozusagen einfach nur ihren Gefrierschrank zur Verfügung gestellt hatte – aber momentan hatte er keine Lust, sich ernsthaft eine andere Lösung vorzustellen. Das würde das Bild nur noch komplizierter machen, und es war schon so schlimm genug. Mehr als genug.
Und zum Vierten? Ja, wenn man es genau betrachtete, dann war das natürlich die wichtigste Frage überhaupt. Die ihm keine Ruhe ließ. Daran bestand kein Zweifel.
Henrik Grundt. Als die Nachricht morgens eintraf, dass der zweite Körper im Gefrierschrank nicht Walter Hermanssons Neffen zuzuordnen war, hatte Gunnar Barbarotti ein sonderbar gespaltenes Gefühl aus Frustration und Erleichterung verspürt.
Frustration darüber, dass man immer noch ein Rätsel zu lösen hatte. Erleichterung darüber, dass es immer noch die winzige Chance gab, dass der Junge am Leben war.
Aber sie war nicht groß, diese Chance, er war der Erste, der das zugab. Er hatte die Wahrscheinlichkeit, dass Henrik Grundt noch lebte, sehr eingehend mit Eva Backman diskutiert, und sie waren sich darin einig gewesen, dass die Möglichkeit bei rund einem Prozent lag. Höchstens. Menschen verschwanden, um ein neues Leben anzufangen, das kam vor. Sie besorgten sich neue Identitäten an neuen Orten aus dem einen oder anderen Grund – aber dass Henrik Grundt, neunzehn Jahre alt, so einen Grund gehabt haben sollte und so eine Entscheidung getroffen hätte … nein, das erschien ihnen wirklich nicht besonders wahrscheinlich. Sicher, er hatte ein Geheimnis mit sich herumgetragen, was seine sexuelle Veranlagung betraf, sie hatten diese Tatsache seinen Eltern bis jetzt noch nicht mitgeteilt – wobei etwas unklar war, warum sie diese Entscheidung getroffen hatten, aber vielleicht handelte es sich einfach darum, dass sie die Sache für Vater und Mutter nicht noch schlimmer machen wollten.
Dass dieses Geheimnis Henrik dazu hätte bewegen können, einen so drastischen Schritt zu tun und alles hinter sich zu lassen – seine Eltern und seinen Bruder in der Vorhölle der Verzweiflung zurückzulassen, in der sie sich jetzt zweifellos befanden -, erschien aus guten Gründen unwahrscheinlich. Sie hatten das vor acht Monaten so gesehen, und die gleiche Einschätzung teilten sie auch heute, nachdem sie erfahren hatten, welch schreckliches Schicksal Henriks Onkel ereilt hatte.
Und dennoch. Zu guter Letzt – oder eher Fragezeichen Nummer
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