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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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biegen und dann ganz normal weitergehen. Er starrte wieder in die Passage hinein, es wäre so leicht wie nur irgendwas.
    Die Frau in der roten Jacke kam ihm entgegen, sie sah nicht so gestresst aus wie die meisten, ganz im Gegenteil, sie sprach in ihr Handy und lachte. Sie ist nicht besonders hübsch, dachte Kristoffer. Sicher so an die vierzig, obwohl sie versuchte, jünger auszusehen. Stiefel mit hohen Absätzen und schwarze, eng sitzende Jeans. Blondiert. Vielleicht war sie eine Hure. Warum nicht, es wimmelte ja nur so von Huren in Stockholm, das wusste doch jeder. Sie kam ihm entgegen, und er merkte, dass er unbewusst die Pistole in der Tasche fest umklammerte.
    Jetzt, dachte er. Jetzt mach ich’s. Probeschießen auf dem Platz, auf dem Palme ermordet wurde, verdammte Scheiße!
    »Hallo, Gittan!«
    Ein Mann kam über den Zebrastreifen gelaufen. Ein Auto bremste und hupte wütend. Die Frau blieb stehen.
    »Jörgen? Was zum Teufel …?«
    Sie umarmten sich. Lachten, umarmten sich erneut. Kristoffer schluckte und ging weiter. Mein Gott, dachte er. Was ist nur mit mir los? Was mache ich? Ich hätte ja fast …
    Vielleicht war es auch nicht so nahe gewesen. Die Gedanken, das war eine Sache, die Durchführung eine andere. Vielleicht gab es ja doch noch eine Sperre in ihm. Vielleicht gab es sogar mehrere, ja, es konnte durchaus so sein, dass es eine ganze Reihe von Sperren gab, die dazu führten, dass … dass man eben nicht so eine Wahnsinnstat beging. Dass der Finger sich weigerte, dem Befehl des Gehirns zu folgen. Sich weigerte, im entscheidenden Moment abzudrücken.
    Plötzlich wurde ihm ganz kalt. Und wenn dem nun so war? Er zog an seiner Zigarette und warf sie dann fort, obwohl sie erst halb geraucht war. Ging wieder weiter. Wenn er jetzt nicht abdrücken konnte, wenn er Jakob Willnius gegenüberstand! Wenn … wenn ihn dann der Mut verließ? Ein paar Sekunden lang spürte er, wie die Angst vor so einer Entwicklung ihm die Luft nahm, fast wurde ihm schwarz vor Augen, und Süßigkeiten und Nikotin umarmten einander in seinem Bauch – doch da, gerade in diesem kritischen Moment, hörte er Henriks Stimme tief in sich.
    Immer mit der Ruhe, Kristoffer, sagte er. Du wirst das schaffen. Ich bin bei dir, vergiss das nicht.
    Das genügte. Augenblicklich fiel die Unruhe von ihm ab. Es war Henrik, um den es hier ging, nichts sonst, wenn er sich das nur die ganze Zeit klar machte, dann konnte nichts schiefgehen.
    Henrik, sein großer Bruder und sein Vorbild. Plötzlich musste er an die Brüder Löwenherz denken, Jonathan und Krümel, tatsächlich!
    Jetzt war er außerdem am Rigoletto angekommen. Er schaute auf die Uhr. Sieben Uhr genau. The Usual Suspects sollte in fünfzehn Minuten anfangen. Er schob die Glastür auf und schlüpfte hinein in die Wärme.
     
    Inspektor Barbarotti war wütend.
    Er lag seit mehr als einer Stunde auf seinem Hotelbett und starrte an die Decke. Genau das Gefühl ist es, dachte er. Genau so fühlt es sich an, jetzt fällt es mir ein.
    Was ihm einfiel, war das Problem, das jemand das Dilemma des Ermittlers getauft hatte – The Detective’s Dilemma, und es stammte zweifellos von der anderen Seite des Atlantiks. Wahrscheinlich von irgendeinem dieser hartgesottenen Kerle aus den Vierzigern. Gunnar Barbarotti war nicht weiter in der kriminalliterarischen Flora bewandert, aber Hammett und Chandler hatte er zumindest gelesen. Und den einen oder anderen Crumley.
    Zwei Dinge mussten gegeben sein. Das war die Voraussetzung für das Dilemma.
    Zum einen, dass man ein Wissen besaß, das den Schlüssel für den Fall bildete, an dem man arbeitete.
    Zum anderen, dass es nicht die Möglichkeit gab, dieses Wissen anzuwenden.
    Inkompatibel, wie es heutzutage hieß.
    Aber vielleicht war Wissen ein etwas zu starkes Wort in diesem Zusammenhang? In diesem Zusammenhang hier und heute, vielleicht konnte hier gar nicht die Rede von einem wirklichen Dilemma sein, wenn man es genau betrachtete. Denn wenn er wirklich wagte, daran zu glauben, dass etwas mit Kristina Hermansson nicht stimmte – etwas ernsthaft nicht stimmte -, dann müsste er doch auch eine Möglichkeit finden, es herauszufinden? Oder?
    Wenn nur die Intuition etwas schwerer wiegen könnte.
    Da war etwas mit ihr, das war klar. Kein vernünftiger Mensch mit reinem Gewissen hätte sich so verhalten, wie sie während des Gesprächs im Royal Viking. Sie hatte ihn angesehen wie … ja, wie einen Gegner; das Gespräch war eine Art Kräftemessen gewesen, und genau

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