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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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Verhältnisse und Umstände, auf die Rücksicht genommen werden musste. Wenn man wollte.
    »Morgen Nacht, Henrik«, sagte sie. »Jakob fährt morgen spätabends zurück nach Stockholm. Wenn du willst, warte ich auf dich im Hotel.«
    »Aber …?«, fragte Henrik. »Geht es denn wirklich, ich meine …?«
    »Kelvin schläft immer wie ein Stein«, versicherte Kristina. »Ja, es geht wirklich. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen … und ich möchte dir gern ein wenig über die Liebe beibringen, bevor ich mit dir fertig bin. Über die schönsten Seiten.«
    »Mein Gott«, seufzte er und starrte sie an. »Ich kann es nicht fassen …«
    »Was?«
    »Ich kann es nicht fassen, dass du und ich, dass wir es sind, die hier sitzen, Kristina. Was meinst du mit den schönsten Seiten?«
    »Die Kunst der Verzögerung«, sagte sie. »Die köstlichen Schmerzen der Verzögerung. Aber jetzt müssen wir uns trennen, ich muss heim zu Mann und Kind.«
    »Kristina, ich …«
    Sie legte ihm einen Zeigefinger auf die Lippen, und er verstummte. Sie gab ihm einen sanften Kuss in beide Handinnenflächen und stand auf. Schwankte kurz, als das Blut aus dem Kopf floss, konnte sich aber schnell fangen.
    »Nein, folge mir nicht. Wir sehen uns morgen.«
     
    Der Regen erschien ihr dicht und sonderbar, wie eine Art fließendes, dichtes Moos, und er folgte ihr die ganze lange, menschenleere Järnvägsgatan entlang. Wofür sie dankbar war. Für seine Kühle und seine Beharrlichkeit. Unter den tausend Gedanken und Gefühlen, die in ihr wüteten, gab es zwei, die mit lauterer Stimme riefen als alle anderen.
    Wir werden wirklich morgen Nacht bis ans Ende des Weges kommen.
    Das nimmt kein gutes Ende.
    Und als sie im ersten Stock des Kymlinge Hotels auf dem Weg zu ihrem Zimmer über den Flur huschte – eine dritte Stimme, die nicht ihre eigene war: Ich bin so geil auf meinen Neffen, dass ich meinen Mann wecken muss, um mit ihm zu schlafen.
    Es war zwanzig Minuten nach zwei, doch das spielte keine Rolle.

10
    K arl-Erik Hermansson wachte zwanzig Minuten vor vier von einem deutlichen Klicken in seinem Kopf auf.
    Das war noch nie vorgekommen. Weder das eine noch das andere. Es klickte nie in seinem Schädel, und er schlief immer wie ein Stein bis Viertel vor sieben. An Arbeitstagen wie an freien Tagen.
    Aber jetzt gab es ja keine Arbeitstage mehr. Nur noch freie Tage. Das war ein sogenanntes unbestreitbares Faktum. Eine Tatsache, die es zu akzeptieren galt.
    Nie wieder den Drei-Gänge-Crescent aus der Garage schieben und die eintausenddreihundertundfünfzig Meter bis zur Kymlinge-Schule strampeln. Nie wieder in einer einzigen, eleganten, fegenden Bewegung den Schlüsselbund aus der Jackentasche ziehen, den Schlüssel ins Schloss schieben und die Horde dazu einladen, in Raum 112 einzutreten. Nie wieder aus dem Gedächtnis Marcus Antonius’ Rede an das Volk vom 15. März 44 v. Chr. zitieren.
    Nur noch freie Tage. Eine Unendlichkeit von Morgenstunden, in denen er solange er wollte im Bett liegen bleiben und sich dann während der Tagesstunden welchen Dingen auch immer widmen konnte. Die Belohnung. Die süßen Tage nach einem ganzen Leben voller Mühen und Plagen und immer neuen Lehrplänen. Aber warum war er um zwanzig vor vier aufgewacht? Warum hatte es in seinem Kopf Klick gemacht? Außerdem war ein leichtes Sausen zu vernehmen, das er nicht zu kennen glaubte. Aber das war sicher eher die Heizung unter dem Fenster auf Rosemaries Seite. Sie hatte sie wahrscheinlich wie üblich heimlich aufgedreht.
    Und dennoch, etwas war passiert, genau das Gefühl hatte er, etwas Beklemmendes, Stechendes, leicht Angestrengtes drückte ihm auf die Brust, war es nicht so? Er lag ganz still und versuchte in sich hineinzuhorchen. Und war es nicht … war es nicht so, dass genau zu diesem Zeitpunkt – zwischen drei und vier Uhr morgens – die meisten Menschen starben? Die Zeit, in der das Lebenslicht ausgeblasen wurde, wenn es am schwächsten flackerte. Das hatte er mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwo gelesen. Es konnte doch wohl nicht …?
    Karl-Erik Hermansson richtete sich kerzengerade im Bett auf. Kurz flimmerte es ihm vor den Augen, bis er sein Gehirn mit Sauerstoff versorgt hatte, doch als dieser Prozess erst einmal im Gang war, stellte er fest, dass er sich kerngesund fühlte. Zumindest einigermaßen kerngesund.
    Und erst danach, nachdem er gelenkig und mit Schwung die Beine über die Bettkante geschwungen und die Füße auf den weichen, flauschigen Bettvorleger

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