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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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nicht.«
    Schmidt: »Daß Ihr Brief das Gefühl deutsch-amerikanischer Verbundenheit beeinträchtigt hat, ist eine bedauerliche Tatsache … Vielleicht darf ich Sie daran erinnern, daß Sie mich gedrängt haben, die deutsche Volkswirtschaft zusätzlich um ein Prozent unseres Bruttosozialprodukts zu reflationieren. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß dies zu einem deutschen Zahlungsbilanzdefizit führen könne; das ist jetzt tatsächlich auch eingetreten. Aber da ich Ihnen mein Wort gegeben hatte, habe ich es auch gehalten. Es kann keinem vernünftigen Zweck dienen, einen Alliierten, der seine Zusagen einhält, zu beleidigen.
    Ich spreche hier sehr offen, noch dazu in einer fremden Sprache. Vielleicht klänge es in meiner eigenen Sprache weniger hart. Aber es hat in beiden Sprachen keinen Sinn, sich hinter dem Busch zu verstecken … Wir brauchen derartige Warnungen nicht. Ich hoffe, wir werden gemeinsam verhindern können, daß aus diesem Brief ein Keil zwischen Amerikanern und Deutschen wird. Ein solcher Keil würde übrigens keinem von uns beiden im Wahlkampf helfen.
    Ich habe jahrzehntelang Diskussionen zwischen den USA und meinem Land erlebt; zum Beispiel um den Radford-Plan, zum Beispiel
um die MLF, die Präsident Johnson später fallenließ, zum Beispiel um McNamaras neue Militärstrategie, mit der er dann recht behalten hat. Ich habe alle diese Dispute durchlebt; ich weiß, sie sind normal. Aber bei INF hat es seit den Beschlüssen des Bündnisses in der Sache keine Meinungsunterschiede zwischen uns gegeben. Wir haben uns damals auf zwei Punkte geeinigt: Diese Waffen sollen auf europäischem Boden stationiert und die Vorbereitungen zur Stationierung sollen unverzüglich aufgenommen werden, so daß die Stationierung Ende 1983 beginnen könne. Gleichzeitig haben wir uns darauf geeinigt, daß Sie mit der Sowjetunion über die beiderseitige Begrenzung der INF verhandeln; wir waren uns einig, daß die Zahl der im Westen zu stationierenden Waffen vom Verhandlungsergebnis abhängen müsse. Im Idealfall ist also ein Null-Ergebnis denkbar, in dem keine Stationierung erforderlich wird. Über all dies waren wir einig. Ich werde mich daran halten.
    Nun steht ja fest, daß Sie vor dem Herbst 1983 gar nicht stationieren können. Daraufhin habe ich angeregt, daß in Kenntnis dieser Tatsache beide Seiten für die nächsten drei Jahre von der Stationierung weiterer INF Abstand nehmen sollten. Tatsächlich müßte dabei lediglich die Sowjetunion ihren Stationierungsprozeß stoppen, das heißt, man würde von ihr einen einseitigen Verzicht fordern, denn sie stationiert ja die ganze Zeit und zwar stetig, während auf westlicher Seite bis zum Beginn der Stationierung noch dreieinhalb Jahre vergehen werden. Ich bin enttäuscht, daß dies in Washington mißverstanden werden konnte. Worte wie ›Moratorium‹ oder ›Einfrieren‹ habe ich meinerseits niemals gebraucht.
    Heute aber kommen mir selbst Zweifel, ob die amerikanische Seite wirklich mit den Sowjets verhandeln will! Vielleicht fürchten Sie, der Kongreß werde während der Verhandlungen keine Mittel für Entwicklung und Produktion bewilligen. Aber es wäre ja nicht das erste Mal, daß Sie produzieren, um schließlich doch nicht zu stationieren. Der B-1-Bomber ist dafür ein Beispiel…«
    Carter setzte sich zur Wehr: »In meiner Administration glaubt niemand, daß Deutschland mit der Ausführung des Beschlusses nicht vorangehen werde. Aber als Sie im April Ihre Rede gehalten haben, hat es weltweites Aufsehen gegeben, das seinen Ursprung in
Deutschland hatte. Sie haben mich damals angerufen, um zu beraten, was zu tun sei; daraufhin hat man unter anderem Botschaften an Holland und Belgien geschickt. Aber dann haben Sie gesagt, Sie hielten an Ihrer damaligen Erklärung fest. Dies hat zum Beispiel Belgien zutiefst beunruhigt und auch in Italien Schwierigkeiten verursacht. Ich glaube nicht, daß Ihre Erklärung so gemeint war; aber ich glaube, sie ist nicht wohlberaten gewesen. Nach den Schwierigkeiten in Belgien und Italien habe ich Ihnen meinen Brief geschrieben, um die amerikanische Position klarzustellen. Wir wollen kein Einfrieren und kein Moratorium, denn das würde das Ungleichgewicht einfrieren. Es wäre sozusagen ein Imprimatur für den derzeitigen Umfang sowjetischer Stationierungen von SS 20. Die USA werden keinem Produktionsstopp zustimmen … Ich glaube Ihnen, daß es nicht Ihre Absicht ist, die Stationierung [von Pershing II] in Deutschland zu verzögern,

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