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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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amerikanischen Antikommunismus verbinden könne. Er ließ dahingestellt, ob wirtschaftliche Maßnahmen gegen Warschau nützlich seien, und gab vor, ihm fehle der Sachverstand, um diese Frage zu beantworten. Gerald Ford
antwortete, es gebe nur zwei wirkungsvolle ökonomische Hebel, nämlich ein Getreideembargo gegen die Sowjetunion oder ein Kreditembargo gegen Polen; beide Hebel könnten jedoch nur bei wirklich einheitlicher Beteiligung aller westlichen Staaten Wirkung erzielen – die amerikanische Administration selbst fasse diese Hebel aber gar nicht ins Auge. George Shultz fügte hinzu, sie seien in der Tat nur wirksam, wenn der Westen geschlossen daran beteiligt sei; dies sei aber geradezu wirklichkeitsfremd. Lane Kirkland fand die von der Reagan-Administration ergriffenen Maßnahmen, verglichen mit den öffentlichen Äußerungen, zu schwach. Senator Biden bemängelte die unzureichende Konsultation mit den Europäern; diese seien von den amerikanischen Sanktionen überrascht worden, und den Senat habe man über angebliche Beratungen mit den Europäern getäuscht (was wohl zutraf).
    Ich selbst konnte mich an jenem Abend kurz fassen. Ich wies darauf hin, daß meine Rede am 18. Dezember im Bundestag, die Entschließung der Außenminister der Europäischen Gemeinschaft vom 4. Januar 1982 und die gemeinsamen Presseerklärungen, die Präsident Reagan und ich kurz vor Beginn dieses Abendessens abgegeben hatten, inhaltsgleich waren; das ausführlichere offizielle Kommuniqué wurde am nächsten Tage, dem 6. Januar, veröffentlicht. Ich wies mit ein wenig Genugtuung auf unsere Stetigkeit hin und bedauerte die irreführende Berichterstattung in den Medien Amerikas. Stetigkeit in der Außenpolitik gegenüber der Sowjetunion sei eine Voraussetzung der Zuverlässigkeit dieser Außenpolitik; sie sei notwendig, wenn man in Moskau verstanden werden wolle. In jenem Kreis erhob sich dagegen kein Widerspruch.
    Insgesamt spürte ich an jenem Abend freundschaftliche Zuneigung. Daß Betty Ford und Obie Shultz aus dem Westen, Nancy Kissinger, der beinahe neunzigjährige John McCloy und David Rockefeller aus New York gekommen waren, dazu meine alten Freunde Melvin und Barbara Laird, Lane Kirkland und seine Frau wie auch Paul Nitze (damals INF-Chefunterhändler in Genf), verstand ich als große Gesten. Ich war glücklich darüber, daß nicht nur meine Frau in diese Freundschaft einbezogen war, sondern auch meine Tochter Susanne, welche aus beruflichen Gründen in London
lebte und so in den letzten Jahren sehr wenig von den persönlichen Aspekten der internationalen Politik hatte miterleben können. Ich glaube nicht zu irren: die amerikanischen Teilnehmer dieses Abends sahen in mir einen Freund.
    Tagsüber hatte meine Frau ein Gespräch mit amerikanischen Damen gehabt, bei dem das politische Thema zwangsläufig aufkam. Loki berichtete über ihre verschiedenen Besuche in Polen und über ihre privaten Gespräche mit polnischen Freunden und Bekannten; die Polen seien zehnmal Polen, zehnmal Katholiken und danach – wenn es hoch kommt – einmal Kommunisten. Loki traf mit solchen Äußerungen auf großes Erstaunen; auch als sie berichtete, daß sie den Kommunismus in verschiedenen Staaten Osteuropas in sehr unterschiedlicher Form erlebt habe. Offenbar besaßen die amerikanischen Gastgeberinnen nur recht schablonenhafte Vorstellungen von der tatsächlich sehr differenzierten Situation hinter dem Eisernen Vorhang.
    Auch am Abend zuvor hatten wir einige alte Freunde zu Gast gehabt: Außenminister Alexander Haig, Notenbankchef Paul Volcker, Botschafter Arthur Burns, Senator Charles Mathias. Daneben waren auch Senator Robert Dole, die Minister für Handel und Finanzen, Baldridge und Regan, der Berater des Präsidenten Edwin Meese, der Kongreßabgeordnete James Jones, Murray Weidenbaum vom Council of Economic Advisers, Lewis Preston von der Morgan Guaranty Bank und andere anwesend – sozusagen die Creme der Administration und der Republikanischen Partei. Auch in diesem Kreise beklagte ich kurz, aber deutlich den Umstand, daß Washington sich durch die Aufregung der amerikanischen Medien über die deutsche Haltung täuschen lasse. Sonst hätte man wissen können, daß meiner Meinung nach das Kriegsrecht in Warschau nur verhängt worden sei, um sowjetischem Druck zuvorzukommen. Man hätte auch wissen können, daß ich – eine Woche vor Präsident Reagans Weihnachtsrede – die Aufhebung des Kriegsrechts, die Wiederherstellung des Dialogs mit der

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