Menschen und Maechte
revanchistischen Ziele des deutschen Imperialismus gegenüber der DDR unterstützt«. Umgekehrt redete die CDU- und besonders die CSU-Opposition davon, die Bundesregierung vernachlässige China und Hua Guofeng; dabei vergaß die Opposition völlig, daß sie jahrzehntelang, entgegen unseren wiederholten Ermahnungen, die Realitäten anzuerkennen, für Taiwan und gegen Beijing optiert hatte.
Hua Guofeng vermied auch in der abschließenden gemeinsamen Pressekonferenz alle denkbaren Klippen. Diese Konferenz endete mit einem Satyrspiel: Rudi Dutschke, der hochbefähigte, damals aber schon durch die Folgen eines Revolverattentats beeinträchtigte Führer der Berliner Studentenrevolte von 1968, hatte sich eingeschlichen und sorgte für ein kurzes Spektakel. Hua Guofeng ertrug es mit Ruhe. Auch hier ging Gelassenheit von ihm aus. Er hat uns nachträglich zwei Pandabären als Gastgeschenk geschickt; wir gaben sie in den Berliner Zoo, wo sie bald zu Lieblingen des Berliner Publikums geworden sind.
Hua Guofeng wurde bald darauf – 1981 – abgelöst; zudem hörte man von einer schweren Erkrankung. Sein Photo verschwand aus den chinesischen Empfangsräumen. Er war wohl durch die Nähe zu Mao während der Kulturrevolution zu sehr belastet, außerdem war er hinsichtlich des neuen Reformkurses wohl zu konservativ. Mir hat er zum Verständnis der strategischen Situation Chinas und der daraus entspringenden chinesischen Zielsetzungen manches Wesentliche vermittelt.
Die strategische Lage Chinas
China und seine politischen Führungsschichten haben nach langer, zum Teil selbstgewählter Isolation auch heute noch ein ausgeprägtes Defizit an Kontakt zum Rest der Welt. Die Nachwirkungen von zwei Jahrtausenden sinozentrischer, introvertierter Denktradition spielen dabei eine wichtige Rolle; das »Mao-Zedong-Denken« war ja nur eine eigenartige Verbindung des alten Weltbildes mit sowohl marxistischem als auch nationalistisch-revolutionärem Gedankengut. Soweit Maos Denken außenpolitische oder strategische Dimensionen kannte, war es lange Zeit von Negationen aller Art geprägt: Antiimperialismus, Antikolonialismus, Antikapitalismus. Auf diese Weise kam man gleichsam von selbst zur Ablehnung jener globalen Arbeitsteilung, welche die heutige Weltwirtschaft kennzeichnet. China sollte sich, das war Maos Wunsch, als kommunistisches Land aus eigener Kraft entfalten. Der Bruch mit Moskau hat diese Orientierung auf die eigenen Kräfte noch verstärkt; das Ideal war die völlige Unabhängigkeit vom Ausland.
Die Kulturrevolution seit Mitte der sechziger Jahre bedeutete nicht nur eine politische Selbstisolation, sondern auch eine gefährliche Schwächung der Verteidigungsfähigkeit. China trieb sich selbst in eine doppelte Konfrontation: sowohl gegen die Sowjetunion als auch gegen die USA. Da China aber in Asien – mit der Ausnahme Nordkoreas – fast keinen Freund und keinen Verbündeten hat und sobald auch nicht haben wird, ist die strategische Lage des Riesenreiches besonders brisant. Dies wurde der Führung in Beijing allmählich bewußt. Auf Nixons Initiative kam es zu Kontakten mit den USA und schließlich, seit Nixons Besuch 1972, zur Détente und Annäherung an Washington. Die reale Sorge vor der benachbarten, expansiven Sowjetunion war für Beijing inzwischen weitaus gewichtiger als die bloß ideologische Ablehnung des amerikanischen Kapitalismus. Das Gefühl, von den USA bedroht zu sein, schwand dahin.
Heute – und wahrscheinlich auf absehbare Zeit, jedenfalls bis zum Ende dieses Jahrhunderts – erscheint der sowjetische Expansionismus den Chinesen das Hauptübel. Beijing sieht in dem
sowjetischen Truppen- und Raketenaufgebot an seinen Grenzen eine militärische Bedrohung, der es sich gerade noch gewachsen fühlt; seine nuklearstrategischen Vorstellungen ähneln denen von Charles de Gaulle in den sechziger Jahren. Aber China fühlt sich darüber hinaus von der Sowjetunion in zunehmendem Maße eingekreist. Da stehen im Süden die kampferfahrenen Truppen Vietnams, das mit der Sowjetunion verbündet ist. Da sind die sowjetischen Flottenbasen in Wladiwostok und in dem vietnamesischen Cam Ranh Bay, möglicherweise demnächst auch in Kambodscha. Da kreuzt die starke sowjetische Unterwasser- und Hochseeflotte im Pazifik; da gibt es die wachsende sowjetische Präsenz im Indischen Ozean, in der Malakka-Straße, die die beiden Weltmeere verbindet, und gastweise immer wieder auch in Singapur. In diesem Lichte erscheint der sowjetische
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