Menschen und Maechte
schwer getroffen; von Jimmy Carter wurden wir damals in ähnlicher Weise zu höheren Haushaltsdefiziten und zur Inkaufnahme höherer Inflationsraten gedrängt, ohne daß die USA ihrerseits bereit waren, zur Lösung der Energiekrise wirksam beizutragen. Sowohl in Deutschland als auch in Japan war die Wiedergesundung der Wirtschaft die vorrangige Aufgabe der Regierung. Fast gleichbedeutend damit aber war für uns beide die Herausforderung, die außenpolitischen
Hypotheken abzutragen, die der Zweite Weltkrieg hinterlassen hat.
Fukuda reiste zu diesem Zwecke nicht nur in die fünf Staaten der ASEAN-Gruppe und nach Burma, sondern auch nach Washington und in den Nahen Osten. Er suchte nach gegenseitiger Verständigung in Südostasien und schloß dabei die Staaten Indonesiens mit ein. »Die japanische Regierung möchte Frieden und Wohlstand mit ganz Südostasien teilen«, so sagte er im Juli 1977 in einer Regierungserklärung. Er war wohl der erste und bisher auch der einzige japanische Premierminister, welcher eine moralische Verpflichtung Japans gegenüber der Dritten Welt anerkannte und durch wesentliche Steigerung japanischer Entwicklungshilfe auch tatsächlich beherzigte. Sein größter Erfolg war der Abschluß des Friedens-und Freundschaftsvertrages mit der Volksrepublik China im Sommer 1978; noch wenige Jahre zuvor hatte Beijing mehrfach hart gegen angeblichen Militarismus Japans protestiert. Dabei widerstand Fukuda sowjetischen Pressionen, die Moskau deshalb ausübte, weil es die im Vertrag enthaltene Antihegemonieklausel als gegen die Sowjetunion gerichtet interpretierte. Der chinesischjapanische Vertrag wurde in Ost- und Südostasien als eine Schlappe der Sowjetunion angesehen und beeinträchtigte die Moskauer Pläne für ein »asiatisches Sicherheitssystem«.
Fukuda hat im Laufe seines öffentlichen Wirkens zwei der drei großen gesellschaftlichen Entscheidungszentren Japans angehört, welche im Wechselspiel miteinander seit Ende des Zweiten Weltkrieges die Politik des Landes bestimmen. Es sind dies erstens die Spitzenbeamten des MITI (Ministry of Trade and Industry), des Finanzministeriums – aus dem Fukuda hervorgegangen ist –, des Außenministeriums und des wirtschaftlichen Planungsamtes; zweitens die politischen Führungspersonen innerhalb der regierenden LDP und drittens die Führungspersonen der privaten Industrie. Keine dieser drei Gruppen kennt Hierarchie im europäischen Sinn. Vielmehr vollzieht sich die Meinungsbildung in einem – von außen diffus erscheinenden – Prozeß der gegenseitigen Osmose von Meinungen und Interessen, die auch innerhalb der drei Komplexe durchaus voneinander abweichen können. So divergieren die Fraktionen der Regierungspartei ebenso wie die verschiedenen Beamtenkörper, wobei Ressortegoismus eine ähnliche Rolle spielt wie bei uns. Ohne das innere Gefüge der unternehmerischen Führungsschicht zu durchschauen, möchte ich vermuten, daß hier gleichfalls die Interessen kollidieren, aber ebenso wie in den anderen beiden Gruppen durch Gespräch in Übereinstimmung gebracht werden. Die Spitzenbeamten werden – anders als die führenden Politiker – relativ früh in den Ruhestand geschickt, um nachfolgenden Talenten Platz zu machen; viele von ihnen trifft man bald darauf in den oberen Etagen der Unternehmen oder in der Politik wieder. So auch Fukuda, der zunächst Beamter war und später Politiker wurde.
Abb 17 Oktober 1978: Besuch bei Takeo Fukuda .
Ministerpräsident Nakasone hat Schmidt erst nach seiner Amtszeit näher kennengelernt.
In seiner Eigenschaft als Finanzminister hatte Fukuda während der internationalen Währungskrisen der frühen siebziger Jahre und im Verlauf der 1973/74 auf Grund des Ölschocks einsetzenden Krise der weltwirtschaftlichen Funktionen nicht nur erhebliche internationale Erfahrungen gesammelt, sondern auch freundschaftliche Beziehungen zu wichtigen westlichen Politikern geknüpft. Auch ich kannte Fukuda gut, bevor ich ihn in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident im Oktober 1978 offiziell besuchte. Wenn ich heute an unsere Gespräche im Herbst 1978 zurückdenke, so fließen Erinnerungen an viele voraufgegangene und noch zahlreichere spätere Unterhaltungen ein. Wie alle seine Vorgänger und Nachfolger hatte auch Fukuda sein Büro in dem von Frank Lloyd Wright gebauten Amtssitz. Das Gebäude ist eine Symbiose von Stilelementen, welche zum Teil der amerikanischen Moderne der zwanziger Jahre entnommen und zum anderen Teil japanischen
Weitere Kostenlose Bücher