Menschen und Maechte
Stiltraditionen nachempfunden sind – vielleicht nicht ganz geglückt, aber doch ein interessantes Zeugnis dafür, daß Japan in den einhundertzwanzig Jahren seit den Meiji-Reformen mal mehr, mal weniger westlichen Einflüssen offenstand.
In unserer politischen und wirtschaftlichen Tour d’horizon wies Fukuda darauf hin, daß der – vornehmlich in den USA – befürchtete Prozeß von politischen Zusammenbrüchen nach dem amerikanischen Abzug aus Vietnam nicht eingetreten sei (die spätere vietnamesische Überwältigung Kambodschas sah er nicht
voraus). Die ASEAN-Gruppe habe sich als ein Faktor der Stabilisierung erwiesen; der japanisch-chinesische Friedens-und Freundschaftsvertrag werde sich gleichfalls stabilisierend auf die Region auswirken.
Fukuda lobte die ASEAN-Staaten; man habe ihnen weitere Hilfe zugesagt, denn angesichts seines wirtschaftlichen Potentials sei sich Japan der Notwendigkeit bewußt, einen angemessenen ökonomischen Beitrag zu leisten. Man denke auch an Hilfe für Vietnam und Laos (Kambodscha, unter Pol Pot, stand damals unter starkem chinesischem Einfluß). Japan müsse daran interessiert sein, daß zwischen Australien und ASEAN auf der einen und den Staaten Indochinas auf der anderen Seite keine allzu scharfen Gegensätze entstünden. Nach meinem Eindruck unterschätzte Fukuda die Bedeutung Moskaus für Vietnam, wenn er auf vietnamesische Unabhängigkeitsbestrebungen hinwies.
Fukuda sah die zukünftigen Aufgaben Japans nicht so sehr auf politischem als vielmehr auf wirtschaftlichem Felde. Er hatte offene Augen für die Probleme der Entwicklungsländer und war ein Befürworter des damals so genannten Nord-Süd-Dialogs; dabei sah er das ökonomische Dreieck USA-Westeuropa-Japan als den nördlichen Partner und bedauerte, daß in diesem Dreieck zwar die beiden Schenkel USA-Japan und USA-Europa weit entwickelt seien, nicht aber die Verbindung Europa-Japan. Darin stimmten wir überein. Weniger behaglich fühlte sich Fukuda bei meinen Bemerkungen über eine unvermeidlich zunehmende politische Rolle Japans in der asiatisch-pazifischen Region. Die von Zeit zu Zeit wiederkehrenden publizistischen und politischen Spannungen zwischen Tokio und Moskau beunruhigten und beschäftigten ihn: »Was können wir Japaner tun? Wie haltet ihr Deutschen es mit der Sowjetunion?«
Ich schilderte die militärische und die gesamtstrategische Lage im geteilten Europa und sprach von der Notwendigkeit, ein gesamtstrategisches globales Gleichgewicht aufrechtzuerhalten; dazu müßten die Deutschen ihren Beitrag leisten – sowohl zur gemeinsamen Verteidigungsfähigkeit des Westens als auch zu den Bemühungen um vertragliche Rüstungsbegrenzung. Der militärische Aspekt und der Komplex der Rüstungsbegrenzung haben Fukuda
damals weniger interessiert; er wollte vielmehr genauer erfahren, auf welche Weise der deutsch-sowjetische Wirtschaftsaustausch in Gang gebracht und stetig gesteigert worden sei. Nach dem Abschluß des japanisch-chinesischen Vertrages – der für Japan eine ähnliche Bedeutung hatte wie knapp zehn Jahre zuvor die Ostverträge für die Bundesrepublik – glaubte er, Japan könne sich nunmehr ganz dem Ausbau seiner internationalen wirtschaftlichen Beziehungen widmen. Fukuda, obschon ein sehr konservativer Politiker, war gegen alles, was Japan in eine militärische Rolle hätte drängen können. Er war ganz zufrieden damit, daß im Notfall die Verteidigung des Raumes bei den USA liegen würde; Japan brauche – im Einklang mit seiner Verfassung – keine große Armee und sein Verteidigungsaufwand solle keinesfalls höher sein als ein Prozent des Bruttosozialproduktes.
Der Trugschluß dieses von vielen Japanern geteilten Friedenskonzeptes (die Sozialistische Partei Japans unter der Führung von Frau Professor Doi geht noch einen großen Schritt weiter, sie will unbewaffnete Neutralität) liegt meiner Meinung nach auf der Hand: Das gutgemeinte Konzept führt auf lange Sicht in eine dauernde gesamtstrategische Abhängigkeit Japans von den USA. Die innere Unausgewogenheit der japanischen Volkswirtschaft erzeugt mehr Güter und Dienstleistungen, als im eigenen Lande benötigt werden. Daraus resultieren hohe Export- und Leistungsbilanzüberschüsse; zugleich führt eine sehr hohe, vom Kapitalbedarf im eigenen Lande auch nicht entfernt in Anspruch genommene Sparquote zu starker japanischer Kapitalausfuhr, mit deren Hilfe die Handelspartner Japans erhebliche Teile ihrer Handelsbilanzdefizite finanzieren. Weder
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