Menschenfänger
hatten, schwebte wieder eine Frau in Lebensgefahr!
»Und Hildegard Clemens?«
Michael Wiener hob die Hände und drehte in einer ratlosen Geste die Handflächen nach oben.
»Hat ihren Fehler erkannt und ist nun völlig aufgelöst. Aber sie hätte uns das Versteck nicht verraten können – er wollte nicht mit ihr darüber sprechen«, berichtete der junge Mann mit schleppender Stimme.
Nachtigall legte ihm seine Pranke schwer auf die Schulter. Es war eine Sache, Ermittler bei der Kriminalpolizei zu werden und Mordfälle aufklären zu wollen – eine völlig andere, plötzlich selbst betroffen zu sein, weil man das Opfer kannte. »Die Eltern hast du informiert?«
»Ja. Sie waren sehr ruhig. Aber ich glaube, das war nur der Schock.«
»Hast du jemanden dort gelassen? Sie werden wohl ihre Tochter identifizieren müssen.«
Michael Wiener nickte.
»Können Marnie und ich das nicht machen? Ich würde den Eltern diesen Anblick gerne ersparen. Eigentlich würde es doch sogar ausreichen, wenn ich schnell hinfahre, oder?«
Peter Nachtigall überlegte einen Moment, gab dann aber seine Einwilligung.
»Komm aber schnell zurück. Albrecht kann nicht alles auf einmal in der Hand behalten, und ich habe Windisch drüben sitzen. Den werde ich gleich mal nach Frau …? Wie war der Name?«
»Brusching. Paula Brusching.«
»Aha, Frau Brusching fragen. Wer hat eigentlich diesen Aufruf im Radio angeordnet?«
»Dr. März. Emile war der Meinung, schaden könne es wahrscheinlich nicht, der Druck auf die Öffentlichkeit, verdächtige Beobachtungen zu melden, wird dadurch größer.«
»Hm, hm«, murmelte der Hauptkommissar wenig überzeugt. »Wir werden ja sehen.«
Er griff nach einem kleinen Stapel Tatortfotos und erhob sich.
»Michael, wenn du zurück bist, schreibst du das Protokoll mit Frau Clemens und schickst sie dann mit dieser anderen Frau nach Hause. Wer ist das überhaupt?«
»Erdmute Schilling. Mehr weiß ich auch nicht. Sie sollte ja nur ihre Freundin begleiten.«
»Lass dir trotzdem ihren vollständigen Namen und ihre Adresse geben. Albrecht, du schickst diesen heißblütigen Unternehmer nach Hause. Aber vorher fragst du ihn noch ein bisschen über seine Ehe aus. Und ein Team Techniker soll ihn begleiten. Schließlich muss ja nicht zwangsläufig Windisch der Entführer sein. Vielleicht meldet sich jemand bei ihm, da wäre es gut, wir hätten die ganze Ortungstechnik installiert. Wie verlockend ist denn der finanzielle Hintergrund?«
»Sehr verlockend. Er bezeichnet sich selbst als stinkreich.«
»Und ruf Dr. März an, wegen der Erl…«
Tumultartiger Lärm auf dem Flur unterbrach ihn und er riss alarmiert seine Tür auf.
Dr. Benno Brusching war in eine laute, handgreifliche Auseinandersetzung mit einem der Beamten verwickelt, die Klaus Windisch bewachen sollten.
Während er die Kehle des Polizisten zudrückte, schrie er immer wieder: »Wo? Wo? Wo habt ihr dieses Schwein versteckt? Ich will sofort zu ihm! Sofort! Er weiß, wo meine Frau ist!«
Andere Polizisten eilten dem Kollegen zu Hilfe, und ein heftiges, unübersichtliches Handgemenge entwickelte sich. Erdmute Schilling legte schützend ihre Arme um die zitternde Freundin und redete beruhigend auf sie ein. Fünf Beamte waren notwendig, um den tobenden Mann zu bändigen.
Sie zerrten ihn auf die Beine und hielten ihn fest umklammert.
»Herr Dr. Brusching! Es ist unsere Aufgabe, alle Informationen zu diesem Fall von Herrn Windisch zu erfragen! Aber Sie! Sie werden sich jetzt ganz friedlich ins Büro setzen und mein Kollege Skorubski wird Ihnen erklären, wie wir nun weiter vorgehen!«, donnerte der Bass Nachtigalls durch den Gang. Er überragte den kräftigen Mann um gute 20 Zentimeter und baute sich drohend vor ihm auf.
Der zornbebende Ehegatte sah ihn wild an, während ihm der Schweiß in Strömen übers Gesicht lief. Immer wenn er versuchte, sich loszureißen, packten die Polizeibeamten fester zu und verhinderten, dass er sich bewegte. Dann schien er plötzlich ruhiger zu werden.
Ohne weiteren Kommentar schüttelte Brusching die Hände der Beamten ab, öffnete die Bürotür und ließ sich trotzig auf den Stuhl vor Skorubskis Schreibtisch fallen, den er Minuten vorher erst geräumt hatte.
Nachtigall trat nahe an ihn heran und beugte sich zu ihm auf Augenhöhe hinunter.
»Haben Sie mich verstanden? Hier gibt es für Sie nicht das Geringste zu tun! Gar nichts! Wenn Klaus Windisch Ihre Frau entführt hat, finden wir das heraus. Sie können sicher sein,
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