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Menschenfänger

Menschenfänger

Titel: Menschenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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Abwesenheit passiert?«
    »Sie wurde entführt! Ist doch klar, oder? Was sollte sonst ›passiert‹ sein?«, schäumte Benno Brusching wieder auf.
    »Gut – angenommen, Sie haben recht. Wie ›lohnend‹ wäre denn eine Entführung Ihrer Frau gegen Lösegeld für den Täter?« Albrecht Skorubski bemühte sich um einen sachlichen Tonfall.
    Ein tiefer Atemzug dehnte den ohnehin stattlichen Brustkorb des besorgten Ehemannes. »Sehr, sehr lohnend«, erklärte er dann mit dem ausströmenden Atem und begann freudlos zu lachen. »Ich bin reich, stinkreich geradezu, wissen Sie!«
    »Deshalb sind Sie auch sofort zu uns gekommen – weil auch andere wissen, dass solch eine Entführung sich lohnen würde?«
    »Nein! Hören Sie, ich bin kein Schwachkopf! Natürlich weiß ich, dass Frauen schon mal Knall auf Fall ihre Männer verlassen. Deshalb, weil kein Mann davor wirklich sicher sein kann, habe ich natürlich alle Schränke kontrolliert. Es fehlt nichts. Alle Koffer stehen im Keller, ihr Auto parkt in der Garage. Meine Frau hat beinahe ein Liebesverhältnis zu ihrem Auto, sie hätte es nie zurückgelassen, wenn sie mich verlassen wollte. Nie!«
    Er erhob sich wieder und begann, unruhig auf und ab zu gehen.
    »Sie wäre demnach im Pyjama und ohne Gepäck aufgebrochen. Aber das entscheidende Argument gegen ein bewusstes Verlassen ist, dass noch alle Medikamente, da sind.« Jetzt klang seine Stimme wie ein Schluchzen.
    »Ist sie abhängig?«, fragte Skorubski etwas begriffsstutzig.
    »Nein! Wo denken Sie hin, Mann! Sie ist seit vier Monaten nierentransplantiert!«, polterte Brusching und setzte dann flüsternd hinzu: »Ohne ihre Tabletten wird das Organ abgestoßen oder sie stirbt.«
    »Stirbt?« Alarmglocken schrillten in Skorubskis Kopf. Das war eine dramatische Entwicklung, und er konnte nun die Aufregung des Ehemannes gut verstehen. Verärgert dachte er dann, dass Brusching diese Information auch früher hätte geben können.
    »Ja. Wenn sie die Medikamente nicht nimmt, wird das Organ abgestoßen und sie kann sterben. Diese Medikamente muss man zu exakten Zeiten einnehmen. Das ist von immenser Bedeutung.«
    »Wie viele Tage kann sie ohne die Tabletten auskommen?«
    »Maximal drei. Aber sie ist noch geschwächt. Eher nur zwei.«
     
    Windisch, hämmerte ein Name durch Albrecht Skorubskis Gedanken, Windisch. Der Kerl hatte es wieder getan. Mit zitternden Fingern griff er zum Telefonhörer und hoffte, er möge sich täuschen.

46
    Paula Brusching erwachte in völliger Dunkelheit.
    Ihr Kopf schmerzte, was sie nicht überraschte, denn durch das Migränemedikament wurde der Schmerz oft nur für ein paar Stunden gedämpft und flutete viel zu rasch und bohrend erneut an. Auch die Übelkeit hatte sich nicht gegeben. Nur widerstrebend kehrte ihr Bewusstsein in die Realität zurück.
    Der Schlag!
    Jemand war in ihrem Haus gewesen und hatte sie niedergeschlagen!
    Ein Versuch, sich aufzusetzen, scheiterte. Wer auch immer – er hatte ihr die Hände auf dem Rücken gefesselt. Sie spürte harten, rauen Boden unter sich.
    Verschleppt!
    Die Narbe am Rippenbogen spannte unangenehm.
    Wie spät mochte es wohl sein?
    Sie sah sich um, konnte aber nur schemenhaft einige Kisten erkennen. Der Raum war fensterlos und bot keinerlei Möglichkeit einer zeitlichen Orientierung.
    Dann entdeckte sie die Uhr!
    Das Ticken war deutlich zu hören, die Zeiger leuchteten Grün in die Finsternis.
    Es war doch nicht etwa schon 21 Uhr!
    Doch!
    Panisch wand sie sich hin und her und entdeckte dabei, dass nicht nur ihre Füße ebenfalls verschnürt waren, sondern ihr Mund offensichtlich mit einem Klebeband verschlossen war. Sofort hatte sie das Gefühl ersticken zu müssen, durch die Nase einfach nicht genug Luft bekommen zu können. Ihr Herz raste.
    Achte auf deine Atmung, befahl sie sich, zähle deine tiefen Atemzüge, los, gib dir Mühe! Zähle langsam bis 20.
    Es konnte unmöglich schon so spät sein, redete sie sich beruhigend zu, bestimmt kommt der Entführer bald, dann kannst du ihm das mit den Tabletten sicher erklären. Alle zwölf Stunden. Das war lebenswichtig und tot hätte sie für ihn doch keinerlei Wert mehr. Er würde das einsehen, ganz bestimmt!
    Die Uhr ging falsch.
    So lange konnte sie unmöglich bewusstlos gewesen sein.
    Sie starrte auf die schmalen neongrünen Striche.
    Sie hatten sich bewegt – ein kleines Stück nur.
    Aber das bewies, dass die Uhr funktionierte.
    Eine andere Frage schob sich in ihr Denken. Warum sollte der Entführer ihr eine

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