Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus
ihrer Zunge einstellte, erschwerte ihr Vorhaben.
„Danke“, erwiderte der Mann auf die nicht vorhandene Einladung, trat ungeniert in ihr Zimmer und stellte die Flasche auf ihrem Schreibtisch ab. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, schlüpfte er aus den Schuhen und den nassen Klamotten. Eine knappe Minute später stand er in Unterwäsche vor ihr. In italienischer Unterwäsche. „Sag mal, du hast nicht vielleicht einen Bademantel oder so was?“
„Du bist ganz schön dreist.“
„Und du bist ganz schön schön, Marg. Die letzten zehn Jahre sind spurlos an dir vorbeigegangen, wirklich.“
„Das hast du neulich schon behauptet. Allerdings warst du da noch voll bekleidet. Und nachdem es beim ersten Mal nicht geklappt hat, wolltest du deine Absichten diesmal deutlicher zum Ausdruck bringen, habe ich recht?“
„Keineswegs!“, widersprach er. „Ich dachte, wir trinken einträchtig ein Gläschen und unterhalten uns über alte Zeiten. Während meine nassen Klamotten trocknen, müssen unsere Kehlen ihr Schicksal ja nicht teilen, oder? Neulich hattest du ja keine Lust zum Plaudern. Ist übrigens nichts Ungewöhnliches. Meine weiblichen Klienten sind immer sehr … zugeknöpft in meinem Büro. Muss an den hohen Decken liegen. Schlechtes Feng Shui.“
„Außen Feng, innen Shui“, hörte sich die Dozentin sagen. Bisher hatte sie nicht gewusst, dass sie so schlechte Witze machen konnte.
Sie ging an den Schrank und wollte ihm den silbergrauen Bademantel reichen. Dann überlegte sie es sich anders und nahm den rosaroten vom Bügel. Als Fabian hineingeschlüpft war und sie sein Gesicht sah, fühlte sie sich gleich besser – wie schön, dass sie dieses geschmacklose Kleidungsstück, das ihr vor Jahren mal jemand geschenkt hatte, noch besaß.
Fabian Possmann. Privatdetektiv. Mitte Vierzig, jugendliche Ausstrahlung, trotz seiner schreibtischlastigen Arbeit erstaunlich gut in Form. Vielleicht waren es die vielen Frauengeschichten, die ihn jung hielten. Diese, dazu ein wenig Tönung an den Schläfen und verbissenes Baucheinziehen. Margarete hatte vor rund drei Monaten seine Dienste in Anspruch genommen, als sie Nachforschungen über ihre Schülerin Madoka Tanigawa anstellte, die in Wirklichkeit Madoka Andô hieß. Fabian hatte bei ihren Treffen ausgiebig versucht, seine unglaublichen grünen Augen spielen zu lassen, doch sie war nicht in der Stimmung gewesen, davon durchbohrt zu werden. Offenbar hatte er sich ausgiebig an die kurze, aber heftige Liaison erinnert, die sie vor mehr als zehn Jahren geteilt hatten. Nun war er gekommen, um sich und die alten Zeiten aufzuwärmen.
„Unten flackert ein Kaminfeuer in der Halle“, sagte er zusammenhanglos. „Das hat mich sehr romantisch gestimmt. Vielleicht können wir uns dort ein schönes Stündchen machen, sobald die Kinderlein im Bett sind. Ein Tête-à-tête mit einer echten Lehrerin steht ganz oben auf meinem Weihnachtswunschzettel.“
„Ausgezeichnete Idee“, schmunzelte die Dozentin maliziös. „Leider sind es noch drei Wochen bis Weihnachten. Und die ‚Kinderlein’ sind alle volljährig und recht nachtaktiv. Aber wenn du mir versprichst, diesen Bademantel anzubehalten und dich an Zuschauern, die sich bald einfinden werden, nicht zu stören, werde ich über deinen Vorschlag nachdenken.“
„Oh, du arbeitest“, wechselte er eilig das Thema und studierte ihre Notizen, während er sich in den schweinchenrosa Flanellstoff kuschelte und so tat, als fühle er sich darin wohl. „Was ist das? Eine Gedichtinterpretation?“
Margarete antwortete mit einer Gegenfrage. „Wie bist du eigentlich reingekommen? Ich habe keine Glocke gehört.“
„Das war Zufall. Der Butler war gerade auf dem Weg nach draußen, als ich ankam. Er war so freundlich, mir die Tür aufzuhalten.“
„Der … Butler?“
Er kratzte sich am Kopf. „Ja, jetzt wo du es ansprichst … Ehrlich gesagt, mir kam er auch etwas mehr wie ein Stallknecht vor. Aber ihr habt keine Pferde, oder? Sehr haariger Bursche, dunkel, verstohlen, streng riechend und … ziemlich bärbeißig für einen Hausangestellten. Und da war noch was: Er hatte einen kleinen Koffer in der Hand, aus dem grünlicher Rauch aufstieg. Ich schwöre, ich habe heute noch keinen Tropfen getrunken.“
„Dr. Konzelmann“, fiel es Margarete ein. „Er muss noch in seinem Kellerlabor gearbeitet haben. In letzter Zeit ist er ständig auf Falkengrund.“
„Nein! Der knorrige Kerl ist Dozent hier?“
Margarete nickte und machte
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