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Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus

Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus

Titel: Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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bestechende Logik. Und wo kommt das Wasser ins Spiel?“
    Sie schloss die Augen. „Das Wasser … fließt über den Stein. Bei einem Wasserfall zum Beispiel. Oder in einem Fluss.“
    „Und bei jedem beliebigen Gebäude. Natürlich nur, wenn es stark regnet. So wie heute.“ Die Wolken luden noch immer ihre Last über dem Land ab, unermüdlich.
    Margarete nippte an ihrem Wein. „Wein … Wein …“, murmelte sie. „Wasser aus Wein …“ Plötzlich richtete sie sich auf. „Und was ist, wenn das Wort ‚Wein’ nicht Traubensaft bedeutet, sondern ‚Weinen’? Wasser aus Weinen, aus Tränen?“
    „Der Himmel weint“, nickte Fabian. „Es regnet. Dabei fließt Wasser über Stein. Das ist eine Spur. Du bist gut.“
    „Okay, aber das bringt uns alles noch nicht weiter. Es gibt eine Menge Steine auf dieser Welt, die im Regen nass werden. Das fängt hier vor unserer Nase bei Falkengrund an und endet irgendwo in den tieferen Regionen der Anden.“
    „Dann werfen wir doch einen Blick auf die letzten beiden Zeilen. Bisher haben wir sie vernachlässigt. Das steht: ‚Wer ab und zu blinzelt, wird blind. Sie rufen den Wind mit dem Wind.’ Was will uns das sagen?“
    Margarete setzte sich auf. „Niemand will blind werden“, konstatierte sie. „Also sollte man nicht blinzeln.“ Unwillkürlich fühlte sie den Drang, schneller zu blinzeln als gewöhnlich.
    „Steine blinzeln nicht“, bemerkte Fabian eher unsicher. „Es passt zu deinem Lösungswort.“
    „Aber das engt die Suche nicht ein. Gibt es Steine mit Augen?“
    Er strahlte. „Ja, dich – du bist mein Augenstein.“
    „Das heißt Augenstern , du Gimpel! Wenn schon Komplimente, dann bitte richtig.“ Sie kicherte wie ein kleines Mädchen, wischte den Gedanken beiseite und wurde wieder konstruktiv. „Steinstatuen haben Augen. Und sie blinzeln natürlich nicht.“
    „Statuen? Die alten Römer? Die Venus von Miró?“
    Margarete wollte schon entnervt ausführen, dass die Venus mit dem spanischen Kubisten Miró nichts zu tun hatte. Eher schon mit den Griechen und mit der ägäischen Insel Melos. Dann fing sie gerade noch rechtzeitig das Funkeln in seinen Augen auf und begriff, dass er sie mit seinen gespielten Bildungslücken nur aufzog. Sie wusste nicht, ob sie das irgendwo süß finden oder lieber in ihrem Stolz gekränkt sein sollte. Als Lehrerin hatte sie die Angewohnheit, andere Menschen grundsätzlich für ungebildet zu halten. Das brachte der Beruf mit sich. Man konnte einfach nicht richtig dozieren, wenn man davon ausging, die Zuhörer wüssten schon alles. Diese Schwäche war ihr bewusst, und wie jeder Lehrer wurde auch sie stinkig, wenn man sie damit aufzog.
    „Steinstatuen also“, kam sie zum Thema zurück. „Das Rätsel könnte auf steinerne Figuren abzielen. Aber warum ist das Wasser so wichtig?“
    „Weil sie im Freien stehen. Dass sie nass werden, ist essenziell.“
    Margarete vermutete eher, dass es für Fabian essenziell gewesen war, seine Klamotten draußen vom Regen durchnässen zu lassen. Er musste sich viel Zeit für die paar Meter vom Parkplatz bis zum Schlossportal genommen haben, um diesen Vorwand für seinen Striptease zu konstruieren. Selbst bei dieser Sintflut konnte man nicht in wenigen Sekunden bis auf die Haut nass werden …
    „Und die Zeile mit dem Wind?“
    „Sie rufen den Wind. Mit dem Wind. Das bedeutet“, Fabian Possmann fixierte einen Punkt an der Zimmerdecke, und es war klar, dass er den Satz begonnen hatte, ohne zu wissen, wie er weitergehen sollte. „Das bedeutet … das bedeutet, der Wind pfeift durch sie hindurch. Der Wind ist ihre Stimme. Ja, das ist es! Sie rufen. Es muss windig sein, damit sie rufen können.“
    Das klang tatsächlich überzeugend. Damit hatten sie das Gedicht womöglich entschlüsselt.
    Schön. Und wie lautete nun die Lösung?
    Steinstatuen, die im Regen standen und durch die der Wind pfiff. Insgesamt keine sehr aufregende Enthüllung. Margarete stellte sich ein Reiterstandbild auf einem großen Platz vor, dazu ein Unwetter wie das von heute, aber der an dem Stein abtropfende Regen kam ihr einfach nur … belanglos vor, triggerte nichts in ihr. Und dass man den Wind wirklich hindurchpfeifen hörte und sich vorstellen sollte, es sei die Stimme des Steinernen – also, wenn das nicht sehr weit hergeholt war …
    Dichterische Phantasie in Ehren, aber ein wenig schlüssiger hätte es nach ihrem Geschmack schon sein dürfen. Wie das alles ihr bei ihrer Suche nach Sir Darren (oder nach

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