Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus
irgendetwas ) helfen sollte, war ihr schleierhaft. Konnte es nicht sein, dass sie auf dem Holzweg waren und sich in etwas hineinsteigerten, das gar keine Substanz hatte? Früher, bei Gedichtinterpretationen in der Schule, war ihr das oft genug passiert.
Sie nahm einen kräftigen Schluck von dem Wein und hielt Fabian das leere Glas hin, damit er ihr nachschenkte. Es war wirklich ein erlesenes Tröpfchen; das Aroma dehnte sich zu allen möglichen Früchten hin aus, die mit Trauben gar nichts zu tun hatten.
Der Mann mit den grünen Augen, der ohne jeden Zweifel gekommen war, um sie zu verführen, hob die Schultern. „Die Flasche ist leer, Frau Lehrerin“, schmunzelte er, „und Frankreich weit.“
Ja. Frankreich war fünfzig Kilometer Luftlinie entfernt. Aber … der Weinkeller war nahe. Lächerliche zwei Stockwerke unter ihr fristete er sein abwartendes, ereignisloses Dasein. Sir Darren persönlich hatte ihn angelegt und betrachtete ihn als sein Eigentum. Andererseits war der adelige Brite seit Monaten verschwunden, hatte Falkengrund ohne ein Wort verlassen und es seither nicht für nötig gehalten, sich zu melden. Der Weinkeller war, im Gegensatz zu dem ebenfalls im Untergeschoss angesiedelten Labor des Dr. Konzelmann, nicht abgeschlossen. Sir Darrens Autorität genügte, um Unbefugten (also allen) den Zutritt zu verwehren.
Aber: Versuchte Margarete nicht gerade, einen Hinweis auf einen Verbleib des Engländers zu finden? Schlug sie sich nicht die Nacht um die Ohren, um ihm aus der Patsche zu helfen, ganz gleich, wie diese aussah? Hatte sie nicht ein Recht darauf, sich ausnahmsweise im Keller zu bedienen, freilich nur, um ihren detektivischen Verstand noch ein wenig zu ölen?
Als sie Fabian von dem Weinkeller erzählte, war er Feuer und Flamme. Allerdings wollte er sie nicht alleine gehen lassen. Er machte sich lächerlich, indem er wirr über Schlossgeister faselte, borgte sich Pantoffeln und begleitete sie ins Untergeschoss. Glücklicherweise begegneten sie auf dem Weg dorthin niemandem, dem sie seine Anwesenheit und sein Outfit hätten plausibel machen müssen.
Fabian zeigte sich beeindruckt vom Inhalt des Kellerraums. Die Sammlung bestand lediglich aus zwei kleinen Regalen mit schätzungsweise vier Dutzend Flaschen, aber die Auswahl zeugte von edlem Geschmack, und der urtümliche Gewölbekeller war für sich alleine schon ein Erlebnis. Über den appetitlichen Säftchen verlor der Detektiv nämlich keineswegs die Verlockungen aus den Augen, die die Situation zusätzlich bot.
„Das schummrige Licht steht dir gut“, säuselte er seiner Begleiterin zu und versuchte sie wie zufällig gegen eines der Regale zu drängen, während er die Weine begutachtete.
„Schlechte Lichtverhältnisse machen reifere Frauen jünger“, entgegnete sie und wunderte sich selbst, wie bissig sie klang. Eigentlich meinte sie es gar nicht so. Es ließ sie durchaus nicht kalt, wie das Weinregal ihr den Fluchtweg abschnitt, wie Fabian langsam immer näher kam. Außerdem tat auch ihm das matte gelbe Licht der Kellerlampe gut – es ließ den Bademantel lachsfarbig erscheinen, und das machte ihn gleich um Welten erträglicher. Wenn auch noch lange nicht kleidsam.
„Vielleicht“, schnurrte er, „braucht es mehr Leidenschaft, um das Gedicht zu verstehen. Mehr Hingabe, Ekstase. Poesie kann nicht mit dem Verstand alleine erschlossen werden.“
Margarete wäre es nicht Unrecht gewesen, wenn er aufgehört hätte, Blech zu reden. Stattdessen brauchte er sich doch einfach nur auf seine kitzelnden Berührungen zu verlassen. Sie knackten ein Schloss ihres ohnehin nicht sehr robusten Keuschheitsgürtels nach dem anderen.
Fabian und sie – in Sir Darrens Weinkeller. Ihre Worte hallten dumpf von den Felsbrocken wider, aus denen das Gewölbe zusammengesetzt war. Wie würde das erst klingen, wenn ihre Stimmen fordernder, sinnlicher wurden?
Anstatt Margarete anzufassen, hatte der Detektiv einen Wein aus dem Regal gezogen und hielt das Etikett ins Licht. „Eine Spätburgunder Beerenauslese. Mm, so etwas würde ich notfalls sogar aus der Flasche schlürfen.“
„Warum tust du’s dann nicht?“, schlug Margarete vor, und ihr Augenaufschlag war filmreif. „Kein Korkenzieher parat?“
Sie glaubte zu sehen, wie er schluckte. Er versuchte, den Wein wieder zurückzustellen, doch er fand das Loch im Regal nicht mehr. Die Frau drückte sich an ihm vorbei, drehte den Spieß um und drängte diesmal ihn gegen das Regal. Gleichzeitig nahm sie ihm die
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