Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus
Anstalten, ihre Notizen wegzuräumen. Doch dann entschied sie sich anders. Ihr ungebetener Besucher kam gar nicht ungeschickt. Fabian war nicht nur ein hormonell schlecht ausbalancierter, unverschämt verführerischer und über alle Maßen selbstbewusster Mann, sondern nebenbei auch professioneller Detektiv. Vielleicht fand er einen Weg, wo sie in eine Sackgasse geraten war.
„Setz dich doch“, flötete sie viel freundlicher und bot ihm den einzigen Stuhl an. „Das hier stammt aus einem Buch mit Sprüchen. Kapitelüberschrift: ‚Gesuchtes finden’. Was fällt dir dazu ein? Machen wir es doch wie in dem alten Sprichwort. Oder zumindest beinahe so: Zuerst die Arbeit, dann …“
Er sah sie erwartungsvoll an.
„… dann der Heimweg“, vollendete sie den Satz.
Fabian lachte, rieb seine Brille am Bademantel und setzte sie auf. Wäre er normal gekleidet gewesen, hätte ihn das Nasenfahrrad locker um zehn Jahre altern lassen.
Er betrachtete sich den Sechszeiler, über den sich bereits Margarete den Kopf zerbrochen hatte. „Hartes aus Weichem“, las er. Vielsagend hob er die Augenbrauen. „Oh. Hartes aus Weichem! Ein durchaus stimulierender Anfang. Wenn man ihn richtig zu verstehen weiß.“ Seine Hand kitzelte wie zufällig an ihren Kniekehlen herum, und sie trat einen Schritt zur Seite, damit er es unterließ. Es entsetzte sie geradezu, wie ihr Körper auf den Hautkontakt reagierte. Im Gegensatz zu ihm war sie alles andere als zu einem Abenteuer aufgelegt – doch ihre Brüste begannen sich zu spannen, und in ihrem Bauch kribbelte es. Jedenfalls sagte sie sich, dass es ihr Bauch war. Was manchen Männern nicht einmal mit Mühe gelang, schaffte er mit einer einzigen Berührung. Das war … besorgniserregend. Sie nahm sich fest vor, die Finger von dem Wein zu lassen. Ihr lief schon seit Minuten das Wasser im Munde zusammen wie bei den Pawlow‘schen Hunden.
2
Eine halbe Stunde später hatte sie ihre Vorsätze aufgegeben.
Sie spürte, dass sie umso empfänglicher wurde, je mehr sie sich dagegen zu Wehr setzte. Also entspannte sie sich, brachte zwei langstielige Gläser und ließ sich den edlen Weißen eingießen. Inzwischen hatten sie den Schreibtisch aufgegeben und es sich auf dem Boden bequem gemacht, das Blatt mit dem Spruch zwischen ihnen. Fabian Possmann achtete darauf, dass der Abstand zwischen ihren Köpfen nie mehr als zwanzig Zentimeter betrug, und startete einige Versuche, sie zu küssen. Je weiter sich die Situation in diese Richtung entwickelte, desto mehr bereute sie, ihm diesen scheußlichen pinkfarbigen Flanellmantel angedreht zu haben. Falls zwischen ihnen beiden tatsächlich etwas geschah und er das Ding aus Rache anbehielt, würde sie sich vorkommen wie von einem Perversen geschändet …
Allerdings bewies Fabian, dass in seinem Kopf tatsächlich noch Platz für andere Dinge war. „Gehen wir es an wie eine Gedichtinterpretation. Wir haben in diesem Gedicht vier Zustandsänderungen“, konstatierte der Detektiv fachmännisch. „Aus etwas Weichem wird etwas Hartes, aus etwas Bleichem etwas Fahles, aus Schein wird Stein und aus Wasser Wein. Das ergibt eine Art Rätsel.“
„D’accord, aber mir fällt nichts ein, auf was das zutrifft. Und was es mit Suchen oder Finden zu tun haben soll. Wie wird aus Schein Stein?“
„Machen wir es uns nicht zu schwer. Ignorieren wir doch einfach die Ausgangszustände und konzentrieren wir uns lieber auf das, was am Ende dabei rauskommt. Also: Was ist hart, fahl, aus Stein und aus Wasser?“
Margarete, die sich, auf ihre Ellbogen gestützt, verkrampft hatte, legte sich jetzt auf den Rücken und streckte die Arme aus. Sie wusste, dass Fabian ihren Körper betrachtete, aber es machte ihr nicht mehr so viel aus. Ohne es zu wollen, kamen viele Erinnerungen an Männerbesuche an die Oberfläche, die sie in diesem Zimmer empfangen hatte. Es war alles in allem ein schönes Gefühl, ihn hier zu haben, auch wenn sie ununterbrochen an das Gesicht von Fabians Gattin denken musste. Ihr Bild stand in seinem Büro, eine schlanke, hübsche, aber ziemlich farblose Frau. Wahrscheinlich hatte sie sich anhören müssen, Fabian habe noch zu tun. Ein Detektiv hatte keine geregelten Arbeitszeiten. Man musste ihm einfach abnehmen, dass er sich die Nächte mit Observationen um die Ohren schlug. Er hatte leichtes Spiel. So verdammt leichtes Spiel. Das tat Margarete als Frau weh.
„Stein“, sagte sie nach einer Weile. „Stein ist hart, fahl und … aus Stein.“
„Eine
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