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Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus

Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus

Titel: Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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als er merkte, dass sie das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Und sie erkannte seine Stimme.
    „Fabian“, flüsterte sie. „Schön, dass du da bist. Kannst du das Licht anmachen, bitte? Ich möchte sehen, was noch an mir dran ist.“
    „Es ist noch alles dran“, erwiderte er, doch ein eigentümliches Zögern lag in seinen Worten. Als würde er etwas vor ihr verheimlichen.
    Margarete fühlte sich erschöpft und steif, und sie hatte Schmerzen, aber sie konnte alle Glieder bewegen. In ihrem linken Arm steckte eine Kanüle, ein paar Pflaster bedeckten ihren Körper, und sie trug ein Flügelhemd.
    „Schön“, sagte sie nicht ohne Erleichterung, nachdem sie ihren Körper einem kurzen Check unterzogen hatte. „Schätze, ich habe eine Weile geschlafen. Was sagen die Ärzte?“
    „Du wirst dich wieder ganz normal bewegen können“, antwortete er, diesmal beinahe zu schnell. „Eine Menge Prellungen und Fleischwunden, eine kräftige Unterkühlung, etwas Blutverlust, aber keine Knochenbrüche und keine inneren Verletzungen.“
    Sie atmete auf und lachte befreit. Dann war also alles in Ordnung. Ein paar Tage Ruhe, und sie würde wieder die alte sein. Das war wichtig, denn jetzt fiel ihr ein, dass sie etwas Dringendes zu erledigen hatte.
    „Fabian“, begann sie. „Ich muss so bald wie möglich los und jemanden suchen. Sir Darren, meinen Kollegen. Er hält sich in England auf, in Cambridge.“
    Der Mann an ihrem Bett sagte nichts. Die Stille kam ihr irgendwie bedrohlich vor.
    „Mach jetzt das Licht an“, bat sie. „Sei so gut. Ich möchte etwas sehen.“
    Wieder keine Antwort.
    „Was ist?“, fragte sie mit belegter Stimme. „Gibt es kein Licht? Ich befinde mich doch in einem normalen Krankenhaus, oder? Es muss doch …“ Sie tastete umher. Jetzt erst fiel ihr auf, dass nirgendwo ein Birnchen glomm und keine Nachtleuchte brannte – etwas ungewöhnlich für ein Krankenzimmer.
    „Was ist los, Fabian?“
    Fabian antwortete nicht. Dafür antwortete eine andere Stimme. Sie kam von der anderen Seite des Bettes, und sie gehörte jemandem, den sie ebenfalls gut kannte: Werner Hotten, dem Rektor von Falkengrund. „Marg, du musst wissen …“
    Sie sah zu ihm hinüber, konnte ihn aber nicht erkennen. Nur Dunkelheit war dort, undurchdringlich, drohend.
    „Marg“, fuhr Werner fort. „Du verstehst nicht. Es ist helllichter Tag, ein Uhr mittags, die Sonne scheint, und dieses Zimmer hat ein riesengroßes Fenster. Es geht fast genau nach Süden. Es tut mir leid, dass du es von mir erfahren musst. Der … Arzt hat gesagt, dass mit deinen Augen etwas nicht in Ordnung ist.“
    Die Dozentin richtete sich im Bett auf. Die Schmerzen ignorierte sie.
    Werner klang traurig. „Es sieht so aus, als hättest du einen großen Teil deiner Sehkraft verloren. Wir hoffen natürlich, dass es nur vorübergehend ist, aber … offenbar sind deine Augen tatsächlich beschädigt und …“ Seine Stimme versagte.
    Margarete dachte an das Licht zurück, das sie gesehen hatte, an die – wie hatte der Gargoyle sie genannt? – Eye-Dialer. Also hatte das Ungeheuer aus Stein Recht behalten: Der wundervolle Anblick, den sie genossen hatte wie keinen zuvor in ihrem Leben … es war nichts anderes gewesen als ihr eigenes Augenlicht. Sie hatte es praktisch dabei beobachtet, wie es aus ihren Augen floss …
    Sie beugte sich vornüber, vergrub ihr Gesicht in den Händen.
    Und wartete auf die Tränen.

    ENDE DER EPISODE

    - - - - - - -

Nr. 50 -

Der Schrecken kriecht durch Posters Haus

1
    „Zwei Euro? Meine Fresse, Sie sind aber spendabel, Mann ...“
    Der schmale Fremde lächelte. Er ließ zu, dass der Zerlumpte ihm die Münze von der Handfläche las. Gierig und voller Hast tat es der Stadtstreicher, als fürchte er, der Wohltäter könne es sich im letzten Moment anders überlegen.
    „Es sind harte Zeiten“, meinte der Gönner. Er sprach ohne Akzent, sanft und langsam. „Man darf die Augen nicht vor dem Elend verschließen.“
    „Wie … recht Sie hab’n, Mei-… Meister.“ Den Worten des Obdachlosen war anzuhören, dass er sich Mühe gab, deutlich und vornehm zu antworten. Doch seine Zunge wollte nicht so, wie er wollte. Sie formte die Laute schwerfällig. „Seien Sie bedankt, Chef … Hoffentlich kommen Sie dafür in den Himmel …“
    Der Fremde war in einen vornehmen grauen Anzug und einen leichten Mantel gekleidet. Er fröstelte ein wenig. Die Novemberwinde pfiffen durch die Gasse, verstärkt durch den engen Schlauch zwischen den Häusern.

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