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Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus

Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus

Titel: Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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merklichen Hintergrundrauschen geschrumpft.
    Sie brannte darauf, das Video zu sehen, und als es lief, war sie eher enttäuscht davon. Acht Kinder, fünf Mädchen und drei Jungen, rannten ausgelassen über die Bühne, zogen Grimassen vor der Kamera. Ein Mädchen las einen Text ab, und ein Junge versuchte sie dabei zu stören. Ihr Sohn Sebastian hob mehrfach die Arme, stapfte mit schweren Schritten auf der kleinen Bühne vor und zurück und verzerrte das Gesicht, als halte er sich für eine Art Riesenmonstrum.
    „Das ist vom Anfang der Stunde, da dürfen sie sich austoben“, kommentierte Poster. Es gab einen Schnitt, und Karen sah fünf Minuten, in denen die Kinder ruhiger, konzentrierter waren. Sie standen in einem Kreis und sprachen Texte, teils auswendig, teils lasen sie ab.
    Alles in allem war nichts Spektakuläres zu sehen. Karen kam sich dumm vor. Sie war hergekommen, ohne irgendetwas in der Hand, und hatte erwartet, dass Poster von sich aus gestand, ihren Jungen zu einer furchtbaren Tat angestachelt zu haben. Es hätte ihr klar sein müssen, dass zuallererst sie selbst für das Verhalten des Jungen verantwortlich gemacht werden würde. Sie war seine Mutter. Und für Seb war es weiß Gott ein schwieriges Elternhaus, mit Holgers Anfällen und Karens Unfähigkeit, etwas dagegen zu unternehmen.
    „Wenn Sie über Ihre Erziehungsprobleme reden wollen“, sagte Poster, als das Band durchgelaufen war, „bin ich gerne bereit dazu. Ich habe zwar leider keine eigenen Kinder, aber ich würde mich erdreisten, mir eine gewisse Menschenkenntnis zu bescheinigen. Mit Kindern habe ich nun schon seit vielen Jahren zu tun …“
    Auf einmal wusste Karen nicht mehr, was sie sagen sollte. Poster war geschickter mit Worten als sie, und wenn sie noch länger hier blieb, würde sie womöglich noch in Tränen ausbrechen und alle ihre Sorgen vor ihm ausschütten, von Holger erzählen, den sie liebte und der doch eine so große Belastung für sie darstellte.
    Sie erhob sich von der Couch. Poster stützte sie, obwohl sie das nicht nötig hatte.
    „Wollen Sie schon gehen? Sie können auch ein anderes Mal wiederkommen, wenn Sie möchten. Gestatten Sie mir wenigstens, Sie nach Hause zu fahren?“
    Karen schüttelte den Kopf und winkte zusätzlich noch mit der Hand ab. „Ich fahre mit dem Bus“, hörte sie sich sagen. In dem Maße, wie ihre Benommenheit durch die Medikamente abnahm, wuchs ihre geistige Verwirrung. Während sie die steile Treppe hinabgingen, redete Poster ununterbrochen auf sie ein. Sie bekam nicht recht mit, was er sagte. Es war belangloses Zeug, dessen einziger Zweck darin bestand, einen Vorhang aus Schall zu schaffen, um andere Geräusche von ihren Ohren abzuschirmen.
    In diesem Haus gab es ein Geheimnis. Poster lebte nicht alleine hier. Irgendwo, vielleicht in den Kellerräumen, hielten sich noch andere Menschen auf, Gefangene vielleicht. Sie hatte Rufe gehört. Während sie die Haustür durchschritt und ihm zum Abschied die Hand drückte, ohne ihm dabei in die Augen zu sehen, begriff sie, warum der Salon, in dem er Besuch empfing, im obersten Stockwerk der Villa lokalisiert war. Dieser ungewöhnliche Umstand hatte nichts mit der schönen Aussicht zu tun, die man von dort oben angeblich genießen konnte – der Salon verfügte nur über zwei kleine Fensterchen, kaum größer als die Bullaugen eines Schiffs. Der wahre Grund war, dass die Gefahr dort oben geringer war, die Schreie mitzubekommen, die aus dem Keller kamen. Aber Karen hatte gute Ohren. Sie war ein akustischer Mensch, konnte die einzelnen Instrumente in klassischen Symphonien ohne Mühe heraushören. Sie wusste, was sie gehört hatte.
    Wichtig war jetzt, sich nichts anmerken zu lassen. Falls dieser Mann in seinem Keller tatsächlich Menschen festhielt, war er ein Verbrecher und zu allem fähig – er würde sie verschwinden lassen, wenn er annehmen musste, dass sie ihm die Polizei auf den Hals hetzte.
    Dieser Gedanke ließ ihre Hand zittern, die in der seinen lag, und sie zog sie schnell heraus, ehe ihm auffallen konnte, wie große Angst sie vor ihm hatte. Sie entschuldigte sich für die Störung und dankte ihm für seine Worte. Mit einem Kopf voll kreisender Gedanken wandte sie sich von ihm ab und ging den Weg zurück in Richtung Landstraße.
    Doch sie ging ihn nicht ganz.
    Auf halber Strecke bog sie nach links ab und verbarg sich zwischen den Bäumen, die die lange Einfahrt säumten. Dort wartete sie einige Minuten.
    Sie konnte nicht einfach nach Hause

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