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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Mutter ihm angeboten hatte, die Kindersendungen, die sie sich gemeinsam angeschaut, und die Dinge, über die sie gelacht hatten. Er wünschte sich, er hätte einen größeren Stein genommen und ihn Joel an den Kopf geworfen.
    Aber das hatte er nicht getan, und nun saß Björn da und fing noch heftiger an zu weinen, als er sah, dass seine Morrissey-Brille in der Mitte durchgebrochen war.
    Anders trat zu ihm, ging in die Hocke und sagte: »Alles okay?«
    Björns Hand schoss vor und traf ihn an der Stirn. Nicht fest, aber fest genug, um ein Zeichen zu setzen. Er wollte nicht, dass ihn jemand ansah oder ansprach. Ein paar Minuten später hatten sich Henrik und Björn angezogen und verschwanden am Ufer entlang, an den Booten vorbei.
    Später erfuhr Anders, dass sie nach Kattudden hinübergeschwommen waren.
    Die letzte Woche dieses Sommers verging in einem Zustand, der an einen Kater erinnerte. Als der eigentliche Kater nach der Fete in der Fischerhütte nachließ, sprachen alle trotzdem weiterhin leiser als sonst, lachten seltener und trugen an einem nagenden, kleinen Schmerz. Die Ausnahme bildeten Joel und Elin.
    Sie hatten sich endlich gefunden und wollten es allen zeigen. Gnadenlos lärmten sie weiter und trommelten vor allem deshalb Leute zusammen, um ein Publikum zu haben, wenn sie sich befummelten. Vielleicht war das ja ihre Art, die Schuldgefühle zu verarbeiten, aber niemand fasste es so auf. Es war in erster Linie anstrengend. Zwei, drei Mal knallte Joel Elin eine wie zum Spaß, und es war gut möglich, dass seine Laufbahn als ein Mann, der Frauen misshandelte, in jenem Sommer begann.
    Von Henrik und Björn hörte und sah man nichts, und es suchte sie auch niemand auf. Ihr Ausschluss aus der Clique hatte sich seit Jahren angekündigt und war jetzt endgültig vollzogen. Aber es war kein Ausschluss gewesen, sondern eher ein Ausspucken, was traurig war, sich jedoch nicht mehr ändern ließ.
    Am Tag vor seiner Rückreise in die Stadt ging Anders jedenfalls zu Henriks Hütte. Als er sich der Tür näherte, drang Musik zu ihm heraus. »There is a light, that never goes out«. Er klopfte an.
    And if a doubledecker bus crashes into us, to die by your side –
    Die Musik wurde abgestellt, und Henrik öffnete die Tür. Abgesehen davon, dass er mehr Pickel hatte als zuvor, sah er aus wie immer. Anders sah jede Menge Papier von Schokoladentafeln im Zimmer. Henrik machte ihm nicht Platz, um ihn hereinzulassen.
    »Hallo«, sagte Anders. »Ich wollte nur … ich fahre morgen, deshalb … ich wollte nur kurz Tschüss sagen.«
    Ein verbittertes Grinsen entstellte Henriks Mund. Als Anders nicht mehr sagte oder tat, verschwand das Lächeln, und für ein paar Sekunden wurde Henriks Gesicht nackt.
    »Ich hab das nicht getan«, sagte er. »Nur, dass du es weißt. Ich habe es nicht getan. Ich wollte nur … Es ist nichts passiert. Ich hab sie flüchtig berührt. Dann fing sie an zu schreien.« Henriks nackter Blick suchte seinen. »Glaubst du mir?«
    Anders nickte und sagte: »Ja.«
    »Gut.« Henriks Gesicht wurde wieder verschlossen, das Grinsen kehrte zurück. Er sagte: »Als du völlig fertig warst, mochte ich dich lieber.«
    Anders ahnte, dass dies ein Zitat war, konnte es jedoch nicht einordnen und machte deshalb nur: »Mm.«
    »Tschüss«, sagte Henrik und schloss die Tür.
    Im nächsten Sommer hatte sich die Clique von selbst aufgelöst. Irgendwer machte Interrail, andere jobbten den ganzen Sommer über. Wieder konnte man Henrik und Björn auf ihrem Lastenmoped umherfahren sehen, und Anders war der Einzige, der sie mit einem Kopfnicken grüßte, aber sie hielten niemals an, um sich mit ihm zu unterhalten.
    Seltsame Dinge passierten damals im Dorf. Sachen verschwanden und tauchten an anderen Stellen wieder auf. Das Schwarze Brett am Geschäft wurde umgeworfen, und eines Morgens machte ein Sommerurlauber, der schwimmen gehen wollte, am Ufer eine grausige Entdeckung. Vom untersten Ast der Kiefer neben dem Umkleideraum baumelte ein Schwan herab, der mit Stahldraht um den Hals aufgehängt war.
    Ein anderer Sommerurlauber, der drei Kaninchen in einem großen Käfig hielt, kam eines Morgens aus dem Haus und fand alle Kaninchen tot. Das einzig Lebendige im Käfig war die berüchtigt wütende Bulldogge eines Nachbarn. Nichts deutete darauf hin, dass der Hund sich hineingegraben hatte. Irgendjemand hatte ihn losgemacht und anschließend in den Käfig gesetzt.
    Der Verdacht fiel schon bald auf Henrik und Björn. Sie fuhren durchs Dorf

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