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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Tischs.
    »Simon«, sagte er. »Wie war das eigentlich mit Holgers Frau? Mit Sigrid?«
    Simon blickte von der Flasche auf. »Ich weiß«, sagte er. »Daran habe ich auch schon gedacht.«
    »Was hast du gedacht?«
    »Weißt du nicht mehr, wie es war?«
    Anders griff nach der Flasche und trank ein paar Schluck. »Nein«, antwortete er. »Es ist so viel los gewesen, dass ich … viele Dinge sind einfach weg. Meine ersten Tage auf der Insel sind ganz … verschwommen.« Anders lächelte und trank noch ein paar Schlucke. »Außerdem bin ich wohl … nicht ganz ich selbst gewesen, könnte man sagen.«
    »Wie fühlst du dich jetzt?«
    Anders strich sich mit der Hand über die Brust. »Ich fühle mich … warm. Und weniger allein. Wie war das mit Sigrid?«
    Anna-Greta stellte eine dampfende Kaffeekanne auf den Tisch und setzte sich zwischen die beiden Männer.
    »Ich muss etwas sagen«, erklärte sie und sah erst Anders, dann Simon und schließlich wieder Anders an. »Angesichts dessen, was wir wissen und was passiert ist, mag das … hart klingen. Aber was ich sagen möchte ist … versuch nicht, etwas zu unternehmen. Versuch nicht … das Meer herauszufordern. Das wäre gefährlich. Es könnte schlimme Folgen haben. Es könnte sehr, sehr schlimme Folgen haben. Schlimmere, als wir uns vorstellen können.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Simon.
    »Ich meine nur, dass es … größer ist als wir. Unvorstellbar viel größer. Es kann uns vernichten. Einfach so. Das ist schon vorgekommen. Und hierbei geht es nicht nur um uns. Auf Domarö wohnen auch noch andere Menschen.
    Anders dachte über Anna-Gretas Worte nach, die sich durchaus vernünftig anhörten, aber es gab etwas, das er nicht verstand.
    »Warum sagst du das jetzt?«, fragte er.
    Anna-Gretas Hand war zittrig, als sie Kaffee auf ihre Untertasse goss und sich nach einem Zuckerstück streckte. »Ich habe mir gedacht, es könnte der richtige Zeitpunkt sein«, erwiderte sie. »Daran zu erinnern.« Sie steckte sich das Zuckerstück in den Mund und schlürfte vorsichtig ein bisschen von dem brühend heißen Kaffee auf.
    »Sigrid hatte noch nicht lange im Wasser gelegen, als ich sie gefunden habe«, sagte Simon. »Nur ein paar Stunden. Obwohl seit ihrem Verschwinden ein Jahr vergangen war.«
    »Aber sie war doch tot?«, meinte Anders.
    »Sicher«, erwiderte Simon. » Da war sie tot.«
    Anna-Greta hielt Anders die Kaffeekanne hin, der sie ungeduldig fortwedelte. Anna-Greta stellte die Kanne auf den Untersetzer zurück, strich sich über die Stirn und schloss die Augen.
    »Was sagst du da?«, sagte Anders. »Ich hab gedacht, dass sie … seit einem Jahr tot war, aber nur ein paar Stunden im Wasser gelegen hat, und dass das so merkwürdig war.«
    »Nein«, erklärte Simon. »Sie war seit einem Jahr verschwunden. Aber ertrunken, gestorben ist sie erst, ein paar Stunden bevor ich sie gefunden habe.«
    Anders sah seine Großmutter an, die immer noch die Augen geschlossen hielt, als hätte sie Schmerzen, und bei der sich eine tiefe Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen gebildet hatte. Anders schüttelte heftig den Kopf und sagte: »Und wo ist sie die ganze Zeit gewesen?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Simon. »Aber irgendwo war sie.«
    Anders rührte sich nicht und bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut. Er zuckte zusammen. Starrte vor sich hin. Sah das Bild. Zuckte erneut zusammen.
    »Und dort ist jetzt auch Maja«, flüsterte er. »Ohne ihren Schneeanzug.«
    Lange Zeit blieben alle stumm. Anna-Greta stellte ihre Untertasse ab und sah überallhin, nur nicht zu Anders. Simon spielte mit seiner Streichholzschachtel. Draußen und um sie herum atmete das Meer in einem scheinbaren Schlaf. Anders saß still, zuckte jedoch ab und zu zusammen, wenn erneut ein schreckliches Bild wie eine kalte Klinge in seine Brust gestoßen wurde.
    Etwas in seinem Inneren hatte es gewusst. Vielleicht hatte er sich, in den Tiefen seines Bewusstseins, trotz allem erinnert, wie das mit Sigrid gewesen war. Oder er hatte einfach gewusst, dass ein Teil Majas in seinem Inneren war und ein anderer Teil … woanders. An einem Ort, an dem sie ihn nicht und er sie nicht erreichen konnte.
    Anna-Greta brach das Schweigen. Sie wandte sich an Anders und sagte: »Als dein Urgroßvater noch ein Kind war, gab es einen Mann im westlichen Dorf, der seine Frau auf dem Meer verlor. Er schwieg sich darüber aus, wie es passiert war, hörte aber nicht auf, nach ihr zu suchen.«
    Anna-Greta zeigte in östliche

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