Menschenhafen
war, wie es sein sollte. Er sah vom einen zum anderen.
»Ist was passiert?«
Torgny verknotete eine Masche, zog zu und blickte nicht von seiner Arbeit auf, als er fragte: »Wie hast du dir das mit den Dachziegeln gedacht?«
»Welchen Dachziegeln?«
»Für dein … Haus.«
»Wieso?«
»Man wird ja wohl mal fragen dürfen.«
Erik sah zu seiner Mutter, die ihm den Rücken zukehrte und beharrlich in ihrem Mus rührte. Der Blick seines Vaters verlor sich weiter in den schadhaften Maschen des Netzes. Nach längerem Schweigen fragte Erik: »Ist es nicht gut?« Als sein Vater nicht antwortete, ergänzte er: »Was ist denn nicht in Ordnung?«
Torgny schnitt die losen Fadenenden mit dem Taschenmesser ab und rollte sie zu einem Bällchen zusammen.
»Man könnte vielleicht sagen, dass … du über ein Blechdach nachdenken solltest. Wenn in dem Haus jemand wohnen soll.« Erik starrte ihn nur an. Torgny fuhr fort: »Wenn wir gemeinsam durchgehen, was meiner Meinung nach geändert werden muss, können wir vielleicht …«
Erik unterbrach ihn. »Du denkst, dass ich das Ganze abreißen soll, hab ich recht?«
Torgny öffnete den Mund, um ihm zu antworten, aber Erik schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und schrie: »Verdammt nochmal! Hol dich der Teufel!«
Maja drehte sich am Herd so schnell um, dass ein paar Trop fen Apfelmus vom Kochlöffel in ihrer Hand flogen und auf Eriks Hemdbrust landeten, als er vom Tisch aufstand.
»Erik!«, sagte sie. »So spricht man nicht mit seinem Vater!«
Erik glotzte sie an, als wollte er sie schlagen, dann glitt sein Blick zu den warmen, bernsteinfarbenen Tropfen auf seiner Brust herab.
»Zwei Dinge«, sagte Torgny, während Erik mit gesenktem Kopf vor ihm stand. »Zwei Dinge. Dann kannst du gehen, wohin du willst, und so wütend sein, wie du willst. Du legst auf diese Holzkonstruktion keine Dachziegel. Und du ziehst Belüftungslöcher in das Fundament ein. Ansonsten machst du, was du willst.«
Torgny wollte ein Stück Netzgarn abschneiden, um sich der nächsten Masche zuzuwenden. Doch seine Hände zitterten, und er ritzte sich den Daumen auf. Es war zwar keine tiefe Wunde, aber ein paar Tropfen Blut quollen hervor.
Torgny betrachtete das Blut. Erik betrachtete die Musflecken auf seinem Hemd. Maja stand noch immer mit halb erhobenem Löffel am Herd. So verstrichen zwei Sekunden, und etwas, das kein Haus war, brach zwischen ihnen zusammen, das Krachen brechenden Holzes, das klagende Quietschen, wenn Nägel herausgebogen werden.
Dann stampfte Erik aus der Küche. Sie hörten seine polternden Schritte die Treppe hinauf, die Tür zu seinem Zimmer, die in der oberen Etage zugeknallt wurde. Torgny saugte das Blut von seinem Daumen, Maja rührte ein paarmal im Topf.
Es war eingestürzt.
Nach diesem Abend verlor Erik die Lust. Er zimmerte den Herbst über weiter und war mit den Wandpaneelen fertig, und vor dem Wintereinbruch bekam das Haus ein Blechdach. Er bohrte Belüftungslöcher, die unförmig und hässlich gerieten, aber wenigstens Luft an das Fundament ließen.
Er tat das alles, aber ohne Freude, ohne Energie. Er aß schweigend sein Essen und beantwortete einsilbig die Fragen seines Vaters und seiner Mutter. Von Zeit zu Zeit fuhr er nach Nåten, um sich mit Anna-Greta zu treffen, und bei diesen Gelegenheiten schien er sich zusammenzureißen, denn die Hochzeitspläne hatten Bestand.
Torgny ging kein zweites Mal zum Haus hinunter. Leuten, die sich bei ihm erkundigten, wie es mit dem Hausbau seines Sohnes vorangehe, sagte er nur, da mische er sich nicht ein, das sei Eriks Sache. Er hatte das Seine gesagt, er hatte gerettet, was zu retten war. Das musste reichen.
Der Winter kam spät. Abgesehen von der üblichen Kältewelle Anfang November herrschten milde Temperaturen, und es lag bis weit in den Januar hinein kein Schnee. Erik hatte Fenster eingesetzt und verbrachte mittlerweile ganze Nachmittage und Abende in seinem Haus. Eine große Petroleumlampe verströmte ihr Licht über die Felsen, und aus der Ferne betrachtet sah das richtig gemütlich aus.
Mitte Januar schaffte Erik sein Bett und die wichtigsten Haushaltsgegenstände hinunter. Torgny und Maja standen am Küchenfenster und beobachteten ihn heimlich, als er sein Bett auf dem Rücken die Böschung hinuntertrug. Maja legte eine Hand auf Torgnys Schulter.
»Jetzt zieht er aus, unser Junge.«
»Ja«, sagte Torgny und wandte sich ab, weil seine Augen brannten. Er setzte sich an den Küchentisch und stopfte seine
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