Menschenhafen
bleiben. Man konnte das ganze Elend natürlich auch abreißen und ein Neues bauen, aber wie stellte man etwas Vergleichbares mit seinem Leben an?
Da war nichts zu machen. Da kam es auf die Entsprechung zu Möbeln, Farben und Fenstern an. Vielleicht auch Türen. Es galt auszutauschen, was schlecht war, und zu hoffen, dass das Fundament trotz allem trug.
Anders packte den Griff seines Koffers fester und schlug den Weg zu seinem Smäcket genannten Haus ein.
Smäcket
Ein seltsamer Name für ein Haus. Smäcket , die Stümperbude. Das war nichts, was man auf ein hölzernes, gefrästes Namensschild schrieb wie etwa Sjösala oder Fridlunda .
Andererseits war Smäcket auch nicht der Name, den der Bauherr seinem Haus gegeben hatte, nicht der Name, der in den Versicherungspolicen stand. Dort las man Klippboet , das Felsennest. Aber Smäcket war der Name, den das Haus auf Domarö im Volksmund bekommen hatte und den auch Anders benutzte, weil das Haus so stümperhaft gebaut war.
Anders’ Ururgroßvater war der letzte Lotse in der Familie Ivarsson gewesen. Als sein Sohn Torgny das Lotsenhaus erbte, baute er es aus und machte aus ihm ein ziemlich großes, zweistöckiges Gebäude. Angespornt von seinem Erfolg baute er mit Unterstützung seines Bruders zudem Sjöstugan , die Seehütte, das Haus, in dem heute Simon als Dauermieter lebte.
Als Anfang des 20. Jahrhunderts mit den Schärenbooten der Waxholmgesellschaft die ersten Sommerurlauber kamen, gab es eine ganze Reihe von Inselbewohnern, die anbauen, ausbauen, umbauen wollten. Die Brüder rüsteten alte Hühnerhäuser zu kleinen Sommerhäuschen auf, ergänzten Gebäudeflügel und deckten die Dächer von Fischerschuppen neu, errichteten in manchen Fällen Neubauten. Die spätere Jugendherberge wurde beispielsweise vor Ort für einen Textilfabrikanten aus Stockholm erbaut.
Als Torgnys Sohn, Anders’ Großvater Erik, Mitte der Dreißigerjahre ein eigenes Haus benötigte, wurde ihm das unbebaute Grundstück auf den Felsen zugeteilt. Man hatte wohl so seine Zweifel. Erik hatte seinen Vater auf die Baustellen begleitet, als Handlanger gearbeitet und einfachere Bauarbeiten verrichtet, sich dabei jedoch nicht sonderlich geschickt angestellt. Aber die grundlegenden Dinge beherrschte er natürlich.
Der Vater bot seine Hilfe an, aber Erik wollte unbedingt allein bauen. Er war ein Hitzkopf und duldete keinen Widerspruch, pendelte zwischen Phasen intensiver Aktivität und rabenschwarzer Selbstbeobachtung. Der Hausbau sollte beweisen, dass er auf eigenen Beinen stehen und alleine zurechtkommen konnte.
Stämme wurden aus dem Waldbesitz auf dem Festland herbeigeschafft, im Sägewerk von Nåten zugesägt und nach Domarö verschifft. So weit, so gut. Im Sommer 1938 begann Erik dann das Fundament zu mauern. Als es Herbst wurde, war er mit der gesamten Balkenlage und den Dachgiebeln fertig, hatte er die Dachpaneele an Ort und Stelle. Seinen Vater fragte er kein einziges Mal um Rat und erlaubte ihm auch nicht, die Baustelle zu besuchen.
Dann kam es, wie es kommen musste. An einem Samstag Mitte September fuhr Erik nach Nåten. Seine Verlobte Anna-Greta und er wollten nach Norrtälje, um sich Trauringe anzuschauen. Die Hochzeit war für das kommende Frühjahr geplant, und die jungen Leute hatten sich im Sommer nicht oft gesehen, da Erik mit dem Hausbau beschäftigt gewesen war. Es war so geplant, dass seine zukünftige Frau und er nach der Hochzeit in das fertige Haus einziehen würden.
Als Eriks Boot hinter der südlichen Landzunge außer Sichtweite verschwunden war, schlich sich sein Vater mit einem Lot und einer Wasserwaage zur Baustelle hinunter.
Er kam auf die Felsen und blieb stehen, um das Holzskelett in Augenschein zu nehmen. Es sah eigentlich ganz passabel aus, aber war der Abstand zwischen den Querbalken in den Wänden nicht ein bisschen groß? Außerdem wusste er, dass die Kiefer vor der Eingangstreppe die Eigenheit hatte, sich in einem Winkel von exakt neunzig Grad vom Erdboden in die Höhe zu strecken. Er ging in die Hocke, schloss ein Auge und kniff das andere zusammen. Entweder war die Kiefer im Laufe des Sommers schief geworden, oder …
Als er den Zollstock herauszog und den Abstand zwischen den Wandbalken maß, hatte er ein flaues Gefühl im Magen. Sie standen zu weit auseinander, und der Abstand zwischen ihnen war nicht einmal überall gleich. An manchen Stellen lagen siebzig Zentimeter zwischen den Balken, an anderen Stellen etwas mehr als achtzig. Er selbst brachte
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