Menschenhafen
aus dem Schornstein zu treiben. Anschließend machte er Feuer und wollte die Schlafzimmertür weit aufschlagen, damit die Wärme auch dort hineinzog, blieb jedoch auf halbem Weg stehen.
Die Tür.
Die Tür war zu.
Jemand hatte die Tür zugemacht.
Anders stand still und atmete durch die Nase. Schneller und schneller wie ein Tier, das Gefahr witterte. Er starrte auf die Tür. Es war eine ganz gewöhnliche Tür. Helles Fichtenholz, die billigste Sorte. Er hatte sie selbst im Sägewerk von Nåten gekauft und einen Tag damit verbracht, den alten, schiefen Rahmen auszuwechseln und die neue Tür einzuhängen. Keine besondere Tür. Aber sie war zu.
Er war sich vollkommen sicher, dass sie nicht zu gewesen war, als Cecilia und er das letzte Mal erschöpft, verheult und innerlich leer von hier weggefahren waren.
Beruhige dich. Simon hat sie zugemacht.
Aber warum sollte er das getan haben? Das Haus wies ansonsten keine Anzeichen dafür auf, dass jemand es betreten hatte. Sollte Simon einzig und allein hineingegangen sein, um die Tür zum Schlafzimmer zu schließen? Warum sollte er so etwas tun?
Also musste die Tür zu gewesen sein, als sie fuhren. Sein Gedächtnis ließ ihn im Stich, er musste sich täuschen.
Aber das tue ich nicht.
Er erinnerte sich besser, als ihm lieb war. Daran, dass Cecilia mit dem letzten Gepäck, einer Tasche mit Majas Sommersachen, zum Auto gegangen war. Dass er ein letztes Mal ins Haus zurückgeblickt hatte, ehe er die Haustür zuschlug und abschloss. Er hatte gewusst, dass er Lebewohl sagte, dass nichts von all dem, was sie sich vorgestellt hatten, wahr werden würde, dass er diesen Ort vielleicht nie mehr wiedersehen würde. Das Bild hatte sich in sein Gehirn eingebrannt.
Und die Tür zum Schlafzimmer hatte offen gestanden.
Er legte die Hand auf die Klinke. Sie war kalt. Das Herz pochte heftig in seiner Brust. Vorsichtig drückte er die Klinke hinunter und zog. Die Tür glitt auf. Trotz der Kühle, die ihm aus dem Schlafzimmer entgegenschlug, spürte er, dass ein Schweißtropfen aus seiner Achselhöhle lief.
Nichts.
Da war nichts, natürlich nicht. Das Licht des Leuchtturms blinkte über dem Doppelbett, das mitten hinter der Tür stand. Alles war, wie es sein sollte. Trotzdem tastete er hinter den Türpfosten, um den Schalter zu finden und Licht zu machen, bevor er eintrat. Die Deckenlampe ging an.
Das Doppelbett war gemacht, der weiße Bettüberzug aus Seidenimitat glänzte und verteilte sein Licht auf die hellblauen Bretterwände und das kitschige Gemälde eines stürmischen Meers mit Schiffen in Gefahr, das über dem Bett hing.
Er ging zum Fenster. Der Leuchtturm auf Norrudden blinkte über die Förde. Ein einsamer Scheinwerfer im Hafen beleuchtete den Schiffsanleger und die Boote, die an den benachbarten Bootsstegen schaukelten. Kein Mensch war zu sehen. In den dunklen Intervallen sah man kurz Gåvasten aufblitzen, den verhassten Leuchtturm auf Gåvasten.
In der schwarzen Fensterscheibe gespiegelt sah er die andere Stirnwand. Den Schrank, Majas Bett. Es war ungemacht, wie sie es verlassen hatten. Weder er noch Cecilia hatten sich überwinden können, den Bettbezug glatt zu streichen und so die letzten Spuren des Mädchens auszuradieren, das dort gelegen hatte. Anders schauderte. Die zerknüllte Decke sah aus, als könnte sie einen Körper beherbergen. Er drehte sich um.
Ein Bett. Ein ungemachtes Bett. Sonst nichts. Ein kleines, ungemachtes Bett. Der Kissenbezug mit Tino Tatz, der einen Stapel Honiggläser trug. Sie hatten den Comic abonniert. Die Heftchen waren weiter gekommen. Er hatte sie gelesen. Sie laut gelesen wie früher, obwohl ihm keiner mehr zuhörte.
Er setzte sich auf ihr Bett, ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Er kauerte sich zusammen. Kauerte sich noch etwas mehr zusammen. Es schmerzte in seiner Brust, ein Kloß wuchs. Er sah das Zimmer mit ihren Augen, so wie sie es gesehen hatte.
Da ist das große Bett, da liegen Mama und Papa, dahin kann ich gehen, wenn ich Angst bekomme. Hier ist mein schönes Bett, da ist Tino Tatz. Ich bin sechs Jahre alt. Ich heiße Maja. Ich weiß, dass ich geliebt werde.
»Maja … Maja …«
Der Kloß in seiner Brust war so groß, dass er durch Tränen nicht gelöst werden konnte, und er wurde zu ihm hinabgesogen. Er hatte kein Grab, zu dem er gehen konnte, nichts, was Maja bedeutete. Außer diesen Ort. Das hatte er bis zu diesem Moment nicht verstanden. Er saß auf ihrem Grab, ihrer Ruhestätte. Sein Kopf wurde zwischen den
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