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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Haus. »Ich glaube, er heißt Lidberg. Er wohnt da oben. Er hat gesagt, es habe einfach Bumm gemacht und im nächsten Moment habe es auch schon lichterloh gebrannt.«
    »Ist jemand im Haus gewesen?«
    »Nicht dass ich wüsste. Aber andererseits fängt es natürlich auch nicht einfach so an zu brennen.«
    »Grönwalls sind doch nur im Sommer auf Domarö, oder?«
    »Das stimmt. Aber ich glaube, ihre Tochter wohnt hier ab und zu.«
    Sie gingen ein paar Schritte auf das Feuer zu, und Simon kniff die Augen zusammen, als er in das grelle Licht blickte, als erwartete er, in den Flammen etwas sehen zu können. Einen Menschen oder etwas, das sich bewegte. Ein verkohltes Skelett. Ein weiterer Querbalken fiel herab und riss in einem Schauer sprühender Funken zwei weitere Dachbalken mit. Wenn sich etwas Lebendes in dem Haus aufgehalten hatte, war es jetzt jedenfalls tot.
    Um das Haus herum war das Gras verdorrt und fing stellenweise Feuer. Simon sah die Flammen auf den Brunnen zukriechen und verspürte auf einmal den Wunsch, etwas zu tun. Er konnte das Wasser aus dem Brunnen heraufbeschwören und ihm befehlen, sich auf die Flammen zu werfen und die Arbeit der Feuerwehr überflüssig zu machen. Mit Spiritus in seiner nackten Hand konnte er solche Dinge unter Umständen tun.
    Wäre es darum gegangen, Leben zu retten, hätte er es wahrscheinlich gemacht. So aber wäre es nur eine sinnlose Vorführung gewesen, die außerdem unangenehme Fragen aufgeworfen hätte. Er wollte Spiritus nicht preisgeben. Warum, wusste er nicht. Aber es war so.
    Wer klopft an deine Tür?
    Anders wusste nicht, ob er zur Oberfläche oder tiefer hinabschwamm. Er befand sich in einem grauenvollen, formlosen Albtraum, wie er ihn so noch nie erlebt hatte. Ein Teil seines Bewusstseins sagte ihm, dass es nur ein Traum war, und ohne diesen Trost wäre er vermutlich wahnsinnig geworden.
    Er war unter Wasser, in totaler Finsternis. Nirgendwo gab es auch nur die kleinste Andeutung von Licht, nichts konnte ihm verraten, wo oben und wo unten war. Er wusste nur, dass er unter Wasser war, dass Dunkelheit herrschte und er ertrank.
    Seine Arme fuchtelten verzweifelt, sterbend, vergeblich riss er die Augen auf. Er wartete auf die stille Resignation, die angeb lich alle übermannte, die ertranken oder erfroren, aber sie wollte sich nicht einstellen. Es gab nur seine Panik und die Erkenntnis, dass er nur noch wenige Sekunden zu leben hatte.
    Aber die Sekunden verstrichen, und er ertrank weiter, durfte jedoch nicht sterben. Wenn das Grauen Materie sein konnte, befand er sich im Inneren dieser Materie. Und sie verdichtete sich. Das Herz raste, und sein Kopf war kurz davor zu implodieren. Er wollte schreien, konnte den Mund aber nicht öffnen.
    Dichter. Näher. Aus der Dunkelheit kam etwas auf ihn zu. Ein riesiger Körper ohne Konturen hatte ihn gewittert und näherte sich. Sein Kopf wandte sich nach links und nach rechts, aber es war nirgendwo etwas zu sehen. Es gab nur die Finsternis und das Wissen, dass sich etwas unfassbar Großes näherte.
    Es pochte und schlug in seinen Ohren, und das Pochen war ein Segen. Ein Geräusch. Etwas, das wirklich war, eine Richtung hatte und andauerte und etwas anderes als Dunkelheit war. Es pochte heftig, etwas schlug, aber nicht in seinem Inneren. Die Dunkelheit wich, und der Abgrund, in dem er sich befunden hatte, war nicht tiefer als seine Lider.
    Er schlug die Augen auf, und der letzte Schlag gegen die Tür hing noch als Echo im Raum. Er brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass er in seinem Haus und quicklebendig war. Dann sprang er auf und rannte zur Haustür. Auf dem Küchenfußboden rutschte er aus und wäre beinahe hingefallen, aber es gelang ihm, sich auf den lauwarmen Herd zu stützen, und er lief in den Flur.
    Diesmal entkommst du mir nicht.
    Er öffnete die Haustür mit einem Ruck, schrie auf und warf sich nach hinten, um nicht mit dem zu kollidieren, was am Kopfende der Eingangstreppe stand. Ein grinsendes Gesicht lehnte sich über ihn, als er rücklings auf den Boden des Hausflurs fiel. Von nackter Angst gepackt krabbelte er einen Meter zurück und zog den Flickenteppich dabei mit. Dann meldete sich die ruhigere Stimme der Vernunft zu Wort, nahm sich seines Schreckens an und begann ihn aufzulösen.
    Das ist nur der Eisclown. Er kann dir nichts tun.
    Das heftige Pendeln der Plastikfigur hörte auf. Anders blieb auf dem Fußboden liegen und betrachtete sie. Seine Sinne meldeten sich zurück, und er vernahm zwei Dinge: eine

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