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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Art Signalton aus dem Dorf sowie einen Mopedmotor, der auf der Auffahrt Gas gab und sich entfernte. Man hörte ein schwaches Klappern, und Anders begriff, dass es sich um ein Lastenmoped handeln musste.
    Der Eisclown stand vor ihm und starrte ihn an, und Anders konnte sich nicht überwinden aufzustehen. Wenn er sich rührte, würde sich der Clown auf ihn stürzen. Um sich von dem Bann zu befreien, wich er dem hypnotisierenden Blick des Eisclowns aus und ließ den Kopf nach hinten und auf den Boden fallen. Er starrte an die Decke.
    Davor musst du keine Angst haben. Hör auf. Das ist … eine aus kommerziellen Gründen produzierte Plastikpuppe. Hör auf.
    Es spielte keine Rolle. Es kam ihm vor, als wäre er zwei Menschen gleichzeitig oder als hätte er wie Donald Duck ein Engelchen auf der einen Schulter und ein Teufelchen auf der anderen, die einem widersprüchliche Botschaften und Empfehlungen einflüsterten. Er fand nicht zu sich.
    »Verschwinde, du dummes Gespenst, denn es gibt dich nicht.«
    Woher hatte er das jetzt wieder? Aus einem Willi-Wiberg-Buch. Als Willi in den Keller gehen sollte und Angst vor Gespenstern hatte. Die Formel, die ihm sein Vater beibrachte. Es war eine der Kassetten gewesen, die Maja am liebsten gehört hatte. Anders hob den Kopf. Der Eisclown stand da und bewegte sich nicht mehr.
    »Verschwinde, du dummes Gespenst, denn es gibt dich nicht.«
    Das Signal im Dorf verstummte. Der Mopedmotor war nicht mehr zu hören. Anders zog die Beine unter sich und stand auf. Er riss sich zusammen, ging zu dem Eisclown und blickte vergeblich in die Dunkelheit hinaus. Es war nichts zu sehen.  
    Wer hatte ihn dorthin gestellt?
    Die Person, die mit dem Moped davongefahren war, so viel stand fest. Aber wer war das?
    Obwohl seine Handflächen aus Angst vor der Berührung Nein sagten, rang Anders sich dazu durch, die scharfen Plastikkanten des Eisclowns zu packen und ihn von der Treppe zu hieven. Der Zementsockel, auf dem der Clown stand, war verblüffend schwer, und er schaffte es mit Mühe und Not, ihn einen Meter auf den Rasen zu schleppen, ehe er ihn absetzen musste. Der Eisclown wippte mehrere Male vor und zurück und fand sich anschließend an seinem neuen Platz zurecht. Er starrte Anders weiter an.
    Ich sollte ihn kurz und klein schlagen.
    Er überlegte, die Axt zu holen, aber beim Hackklotz war es so dunkel wie in seinem Traum, und außerdem … kann sich der Eisclown rächen . Er versuchte es damit, die Figur eine Vierteldrehung seitwärts zu schwenken, doch das brachte nichts. Jetzt betrachtete sie ihn aus den Augenwinkeln.
    Wer? Wer wusste davon?
    Wer immer die Figur auf seine Eingangstreppe gestellt hatte, wollte ihm damit Angst einjagen, aber wer konnte denn eigentlich wissen, dass er sich vor dem Eisclown fürchtete? Falsch. Dass er vor dem Eisclown Angst bekommen hatte . Wer?
    Derselbe, der mich beobachtet .
    Der Eisclown starrte ihn an. Anders holte einen schwarzen Plastiksack, den er über die Figur zog und unter den Zementsockel stopfte. Der Sack raschelte leise im Wind, und für jeden anderen sah die Figur nun wahrscheinlich noch unheimlicher aus. Aber sie guckte nicht mehr. Er hatte ihre Augen ausgeschaltet.
    »Ich habe keine Angst.«
    Er sagte es laut in die Dunkelheit hinein. Er sagte es noch einmal. Unter dem Plastik flüsterte der Eisclown: Du traust dich ja nicht mal, deine Axt zu holen. Na klar. Du bist mutig und stark. Immer und überall.
    Anders wurde wütend. Er trat in den Flur, zog seine Jacke an, kontrollierte, dass in der Flasche in seiner Jackentasche noch Wein war, griff nach der Taschenlampe und ging wieder hinaus. Er stellte sich vor die undeutliche Silhouette des Eisclowns unter dem Sack, hielt die Flasche hoch und sagte: »Prost, du hässliches Schwein«, und nahm einen tüchtigen Schluck. Anschließend schaltete er die Taschenlampe ein und ging Richtung Auffahrt.
    Er würde mal nachsehen, weshalb die Sirene gegangen war. Es hatte ähnlich geklungen wie bei einem Fliegeralarm, aber darum konnte es ja wohl kaum gehen.
    Es sei denn, die Russen sind wiedergekommen.
    Der Lichtkegel der Taschenlampe ging vor ihm auf dem Weg, und er spielte damit, warf ihn in die Bäume hinauf und in den Straßengraben, spielte, er wäre ein eifriges Tier, das seine Umgebung untersuchte. Die Büsche beschnüffelte, durchs Gras lief. Ein eifriges Tier aus Licht, das niemand fangen konnte. Um sich selbst auf die Probe zu stellen, schaltete er die Lampe aus.
    Die Oktoberdunkelheit schloss sich um

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