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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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vorgekommen, dass jemand … zurückgekommen ist. Ich finde, das deutet darauf hin, dass es … irgendwie schwächer wird.«
    Er kaute Luft und kam nicht weiter. Anna-Greta half ihm auf die Sprünge: »Und was denkst du, wie wir darauf reagieren sollen?«
    »Nun ja, also …«
    Weiter kam er nicht, weil er von einem Signalton unterbrochen wurde. Im ersten Moment glaubte Simon, es wäre ein fernes Nebelhorn, aber dann erinnerte er sich an den Ton. Man hatte ihn damals gehört, als irgendein idiotischer Stockholmer Ende Juni Reisig verbrannt und dabei um ein Haar ganz Kattudden in Brand gesteckt hätte.
    Alle sprangen auf.
    »Es brennt!«
    Jacken und Mäntel wurden hastig übergeworfen, und in weniger als einer Minute war der Raum leer. Nur Simon und Anna-Greta standen noch da. Sie sahen sich wortlos an. Dann machte Simon auf dem Absatz kehrt und ging hinaus.
    Nach der Helligkeit im Haus war die Herbstdunkelheit kompakt. Das kleine Megafon im Turm der Sturmglocke sandte seinen pulsierenden Ton aus, aber im Dorf war kein Brandherd zu sehen. Da der Wind aus südöstlicher Richtung kam, hätte dann außerdem Brandgeruch in der Luft liegen müssen.
    Es gab eine Löschvorrichtung, aber sie war nur für die Gegend um den Hafen, die ursprüngliche Bebauung bestimmt. Eine leistungsstarke Pumpe neben dem Schiffsanleger war an einen vierhundert Meter langen Schlauch angeschlossen, mit dem man im Notfall Meerwasser auf die meisten Häuser im Dorf pumpen konnte.
    Aber jetzt brannte es nicht im Dorf. Als Simons Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er die Konturen der anderen ausmachen, die an dem Treffen teilgenommen hatten. Sie waren auf dem Weg nach Kattudden. Die tief hängenden Wolken am Himmel waren im Osten schwach rosa gefärbt. Als er ein paar Schritte in diese Richtung gegangen war, tauchte Anna-Greta an seiner Seite auf. Sie tastete nach seiner Hand, aber Simon zog sie fort.
    Nach gut fünfzig Metern holten sie Tora Österberg ein. Ihre Gummistiefel quietschten langsam in der Dunkelheit, als sie sich mithilfe ihres Rollators vorwärtsbewegte. Sie war Straßenrand und Straßengraben gefährlich nah. Anna-Greta packte ihren Arm und hinderte sie daran, vom Weg abzukommen.
    »Geh nach Hause«, sagte Anna-Greta. »Du wirst hier nicht benötigt.«
    »Benötigt und benötigt«, fauchte Tora. »Ich will sehen, was da los ist.«
    Simon nutzte die Gelegenheit, sich von Anna-Greta zu entfernen. Er machte so ausgreifende Schritte, wie er nur konnte, und wurde erst langsamer, als Toras beleidigte Stimme bereits weit hinter ihm war. Er war so enttäuscht von Anna-Greta, dass er nicht wusste, was er tun sollte.
    Durch die rein symbolische Miete, die er so viele Jahre gezahlt hatte, war es ihm möglich gewesen, einiges Geld auf die hohe Kante zu legen, sodass er es sich vermutlich sogar leisten können würde, ein Haus zu kaufen. Konnte er das Haus, in dem er wohnte, Anna-Greta eventuell abkaufen?
    Er lachte verbittert. Nein. Zum einen würde er es sich nicht leisten können, den Preis für ein Haus in Ufernähe zu bezahlen, zum anderen wollte er unter Umständen überhaupt nicht mehr in Anna-Gretas Nähe wohnen, und drittens … drittens käme es ihm vor, als würde er die Miete nachzahlen, die er ihr eigentlich schuldig war.
    Hol sie der Teufel. Hol sie alle der Teufel.
    Plötzlich gab der Erdboden unter seinen Füßen nach, und er schlug hin. Die Dunkelheit im Wald und die Dunkelheit in seinem Kopf hatten ihn in den Straßengraben geführt. Als er sich abfing, schürfte er sich die Hand an einem Stein auf. Tränen des Schmerzes und der Wut stiegen ihm in die Augen, und er schrie: »Verdammte Scheiße!«
    Anschließend besann er sich und horchte in sich hinein. Er hatte sich nichts gebrochen, war nicht verletzt und wollte nicht, dass Anna-Greta ihn so sah. Er krabbelte aus dem Straßen graben, kam auf die Beine und presste die Wunde in seiner Hand gegen einen Hemdzipfel. Er wollte schon weitergehen, als er das Geräusch eines näher kommenden Motors hörte. Es kam aus dem Wald, von dem Waldweg, der zum Ufer an der Nordseite der Insel führte.
    Das Geräusch war gequält, hysterisch, es klang wie der Motor eines Mopeds, das auf viel zu hohen Touren lief. Er blinzelte in den Wald hinein und sah tatsächlich den Scheinwerfer eines Mopeds, das mit kreischendem Motor den schmalen Pfad herabholperte.
    Wer fährt denn da? Auf dem Weg da kann man doch nicht einmal richtig Fahrrad fahren.
    In dieser Richtung lag nur Holgers

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