Menschenherz - Band 1-3
sie fast nicht hören konnte.
Adam erwiderte nichts. Er starrte auf den schwarzen Monitor.
Gabriel war sich nicht sicher, ob der junge Mann überhaupt gehört hatte, was er gesagt hatte oder ob er nur gedacht hatte.
Nach einigen Minuten verließ Adam wortlos das Zimmer und der Engel versuchte nicht, ihn zurückzuhalten.
***
Im Wohnzimmer angekommen, öffnete Adam eine Flasche Weißwein, nahm zwei Gläser und stellte alles auf den Tisch im Ateliergeschoss. Zwei Fotoalben holte er aus dem Bücherregal und legte sie dazu.
Dann wartete er.
Ab und zu nippte er an seinem Wein und blickte auf die Uhr. Nach und nach wurden seine Blicke häufiger. Ungeduldig stand er schließlich auf, als könnte er so Liliths Rückkehr beschleunigen.
Als sie nach einer halben Stunde noch nicht da war, öffnete er eines der Fotoalben und betrachte die Fotos. Die Gruppe hatte ganze Arbeit geleistet, dachte er zufrieden.
Die Fotos zeigten sie beide in einem Urlaub, der angeblich letztes Jahr stattgefunden hatte. Sie besichtigten den Vatikan, das Grabmal des unbekannten Soldaten, sie lagen an einem Pool. Fast kam es ihm so vor, als wäre dies alles tatsächlich passiert.
Er lächelte, denn die Fotos zeigten nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft.
Wieder warf er einen Blick auf die Uhr und schloss das Fotoalbum. Sie konnte unmöglich immer noch im Bad sein. Unruhe erfasste ihn und er hastete den Gang entlang, zu den Privaträumen.
Zögernd, als begehe er ein Sakrileg klopfte er an der Tür zum Bad. Als er keine Antwort erhielt, öffnete er. Das Zimmer war leer und nur noch einige Überreste Schaum in der Wanne zeugten davon, dass es benutzt worden war.
Der leichte Vanillegeruch wurde nun von einem anderen Duft überlagert und einen Moment lang fragte er sich, woher der Duft kam, denn alle Badeöls und Körperlotionen waren auf Vanille abgestimmt.
Die Tür zum Schlafzimmer war offen. Obwohl er mit einem Blick erkannte, dass das Zimmer leer war, klopfte er, bevor er es betrat.
Der Kleiderschrank stand halboffen und der Bademantel lag auf dem Bett. Plötzlich hatte er die panische Vorstellung, dass sie gegangen war. Einfach so, aus seinem Leben verschwunden.
„ Hätte Gabriel sie aufgehalten? Hätte er mich benachrichtigt?“
Mit einem mulmigen Gefühl beschleunigte Adam seine Schritte und lief zur Eingangstür. Sie war abgeschlossen.
Dankbar registrierte er, dass Lilith das Haus nicht verlassen haben konnte und überprüfte Raum für Raum, während er sich wieder zum Schlafzimmer vorarbeitete und wütend wurde.
„ Er hatte ihr gesagt, dass er im Wohnzimmer wartete. Warum war sie nicht gekommen? Warum lief sie vor ihm weg und versteckte sich? War das der Dank für alles?“ Er ermahnte sich. Sie wusste ja gar nichts von ihrer Bestimmung. „Trotzdem: Ist das der Dank dafür, dass du ihr Zeit lässt und versuchst Verständnis zu haben?“
Der Groll der letzten 29 Jahre stieg in ihm auf und richtete sich auf sie. „Sie hat zu tun, was du ihr sagst!“
Als er sie endlich im Arbeitszimmer fand, hätte er sie am liebsten angebrüllt. „Das hättest du schon vor Jahrtausenden tun sollen!“ Wütend grub er seine Fingernägel in seine Handfläche, um seine Gedanken zur Räson zu bringen.
Vor der Dunkelheit des Fensters wirkte sie wie ein glitzerndes, funkelndes Juwel und trotzdem einsamer als alle anderen Menschen, die Adam je gesehen hatte. Er bemerkte, dass er zitterte und fragte sich, ob er je den Wall aus Sehnsucht und Verlassenheit würde überwinden können, den sie um sich gebildet hatte.
***
Sie wusste, noch bevor sie ihn in der Spieglung sah, dass er hinter ihr stand. Vermutlich war er wütend auf sie, aber es war ihr egal. Sie hatte die Einsamkeit gesucht, weil sie gehofft hatte, irgendein Bruchstück aus ihrer Vergangenheit würde aus der Vergessenheit auftauchen.
Aber nichts war geschehen, außer dass ihre Verzweiflung sich immer tiefer in sie hineingefressen hatte, bis sie sich am Fenster wiederfand, in die Finsternis starrend.
Sie hatte das Gefühl von der Welt abgeschnitten zu sein und nicht dazuzugehören. „Habe ich schon immer so gedacht und gefühlt?“
Sie hatte versucht, sich an die Träume zu erinnern, die sie dazu gebracht haben mussten, sich hypnotisieren zu lassen, doch sie konnte kein Fragment einer Erinnerung finden.
Stattdessen stand sie vor dem Fenster und ließ die Flutwelle der Melancholie über sich niederschlagen, weil sie den Gedanken nicht loswurde, dass dort Draußen irgendwo
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