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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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kreisrunde Sonnenflecke auf seine Brust und seine Schultern zeichnete.
    Seit er hier stand, waren noch keine Luftautos über die Straße gefahren; nur ein schwerer Lastwagen und eine Horde Hondas. Er vermutete, dass er eher durch Glück als durch inneren Orientierungssinn den Weg zum Herzen der Stadt gefunden hatte – zu seinen Leuten.
    Trotzdem wagte er nicht, vor dem Dunkelwerden hinaufzusteigen. Um sich die Zeit zu vertreiben, holte er die Kamera hervor, legte eine Kassette ein und filmte seinen Brustkasten. Er wusste, dass die Filme außerordentlich lichtempfindlich waren und selbst in der Dämmerung noch deutliche Aufnahmen zustande brachten, und er wollte nicht, dass zu viel von seiner gegenwärtigen Umgebung zu sehen war. Diesmal redete er nicht und machte auch keine Witze. Er war einfach zu müde.
    Als die Kassette durchgelaufen war, steckte er sie zu der anderen, schon aufgenommenen. Er wünschte, er hätte den nagenden Zweifel – der fast schon eine Gewissheit war – loswerden können, dass die Bänder seinen Aufenthaltsort verrieten. Es musste doch einen Weg geben, das zu vermeiden. Es musste einen geben.
    Er setzte sich ungelenk auf die dritte Sprosse und wartete auf die Dunkelheit. Er war jetzt seit fast dreißig Stunden auf der Flucht.

… Minus 066 Countdown läuft …
     
    Der Junge, sieben Jahre alt, schwarz, rauchte eine Zigarette, lehnte sich noch etwas weiter vor und spähte aus der Gasse auf die Straße.
    Er hatte dort eine plötzliche, leichte Bewegung ausgemacht, an einer Stelle, an der vorher alles ruhig gewesen war. Schatten bewegten sich, blieben einen Augenblick ruhig und bewegten sich dann wieder. Der Gullydeckel hob sich langsam. Er blieb in der Luft hängen, und darunter schimmerte etwas – Augen? Auf einmal glitt der Deckel scheppernd zur Seite.
    Jemand (oder vielleicht auch etwas, dachte der Junge mit wachsender Angst) kam da raus. Vielleicht kam der Teufel aus der Hölle, um Cassie zu holen, dachte der Junge. Ma sagte, dass Cassie zu Dicky und zu den anderen Engeln in den Himmel kommen würde. Der Junge dachte, dass das Quatsch war. Jeder kam, wenn er mal starb, in die Hölle, wo er vom Teufel mit einer Mistgabel in den Hintern gestochen wurde. Er hatte schon mal ein Bild vom Teufel gesehen. Das war in einem der Bücher gewesen, die Bradley aus der Bostoner Stadtbibliothek geschmuggelt hatte. Der Himmel war für die Push-Freaks. Ihr Mann war der Teufel.
    Doch, es könnte der Teufel sein, dachte der Junge, als Richards sich aus dem Loch hievte und einen Augenblick über den rissigen Asphalt gebeugt dastand, um wieder zu Atem zu kommen. Kein Schwanz, keine Hörner und auch nicht rot, wie im Buch, aber der Kerl sah trotzdem verrückt und gemein genug aus.
    Jetzt schob er den Deckel über den Gully und jetzt – heiliger Bimbam, jetzt rannte er genau auf die Gasse zu.
    Der Junge stöhnte auf, wollte wegrennen und stolperte über seine eigenen Füße.
    Er versuchte, sich wieder aufzurappeln, krabbelte hektisch herum und ließ Sachen fallen, als der Teufel ihn plötzlich packte.
    »Piks mich nich!«, stieß er rau und flüsternd hervor. »Piks mich nich mit deiner Mistgabel, du gemeiner …«
    »Pst! Sei still! Sei still!« Der Teufel schüttelte ihn, dass ihm die Zähne im Mund klapperten. Der Junge verstummte. Der Teufel sah sich ängstlich um. Sein Gesichtsausdruck wirkte geradezu grotesk, solche Angst schien er zu haben. Der Junge musste an die komischen Typen in der Sendung Schwimm mit den Krokodilen denken. Beinahe hätte er gelacht, wenn er nicht selbst solche Angst gehabt hätte.
    »Du bis nich der Teufel«, sagte der Junge.
    »Du wirst mich gleich für den Teufel halten, wenn du schreist!«
    »Das mach ich nich«, sagte der Junge verächtlich. »Glaubst du etwa, ich will meine Eier loswerden? Jesus, ich bin ja noch nich mal groß genug, um abzuspritzen.«
    »Kennst du denn einen ruhigen Ort, an den wir gehen können?«
    »Bring mich nich um, Mann. Ich hab nix.« Der Junge rollte die Augen, die weiß in seinem dunklen Gesicht wirkten, nach oben.
    »Ich werde dich nicht umbringen.«
    Der Junge führte Richards an der Hand die gewundene, mit Abfall übersäte Gasse entlang und von dort in einen weiteren Seitenweg. Kurz bevor der Weg in einen Lichthof zwischen zwei gesichtslosen Hochhäusern mündete, zeigte der Kleine ihm eine aus geklauten Brettern und Ziegelsteinen zusammengezimmerte Bretterbude. Sie war nur etwa ein Meter zwanzig hoch, und Richards stieß sich den Kopf, als er

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