Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Menschenkinder

Menschenkinder

Titel: Menschenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Renz-Polster
Vom Netzwerk:
Denken wir nur an musikalisch begabte Kinder – sie können ihre Freude am Musizieren nur nutzen, wenn sie auch ein Instrument, Unterricht und Ermutigung haben, eben: Förderung! Ganz sicher würden wir heute keinen Mozart hören, wenn sein Vater ihn nicht gefördert hätte (und auch seine Mutter dürfte eine Rolle gespielt haben, irgendwo abseits des Klaviers).
    Aber warum hören wir dann so viele Klagen über die Förderung? Sogar, dass dahinter ein Wahn stehe, der Förder-Wahn eben? Warum bemühen manche sogar das Gras, um vor Förderung zu warnen : Das Gras wachse ja auch nicht schneller, wenn man daran zieht?
    Beim Thema Förderung scheint es uns komplett aus der Kurve getragen zu haben. Beste Bedingungen wieder einmal für Schwätzer, Spekulanten und Sektierer. Beste Chancen auch, dass wir einem ihrer Lockangebote dann doch aufsitzen. Ich gehe davon aus, dass die meisten der für Kinder speziell zur »Förderung« angebotenen Programme und »Spiel«sachen reine Zeit – und Geldverschwendung sind. Bestenfalls.
    Ich gehe aber auch davon aus, dass viele Kinder eben die Förderung nicht erhalten, die für ihr Leben einen entscheidenden Unterschied bedeuten würde.
    Eingebaute Förderung
    Schaffen wir Klarheit, indem wir die Herausforderungen betrachten, die sich Kindern auf ihrem evolutionären Weg schon immer gestellt haben.
    Da sind zum einen Dinge, die alle Kinder lernen müssen, egal wo sie leben und egal was sie später einmal besonders gut können müssen. Alle Kinder rund um den Globus lernen laufen, sprechen oder miteinander klarzukommen, ohne dass sie dazu speziell motiviert, unterrichtet oder eben »gefördert« werden müssten. Sie
saugen sich aus ihrer alltäglichen Umwelt all die Erfahrungen heraus, die sie für den Aufbau dieser Kompetenzen brauchen. Sie tun dies aus sich heraus, ohne spezielle Unterstützung! Es braucht dazu nur eines: eine normale, artgerechte Umwelt.
    Worin besteht dieses eigenförderliche Umfeld, das Kinder der Art Homo sapiens gedeihen und ihre individuellen Potenziale entfalten lässt?
    So unterschiedlich die Umwelten sind, in der Kinder aufwachsen, so sind es doch die immer gleichen Grundlagen, die ihnen eine adäquate Entwicklung ermöglichen:
    ERSTENS: SICHERE BINDUNG. Nur wo Säuglinge und kleine Kinder in einem emotional sichernden Stil versorgt werden, entwickeln sie ihr Urvertrauen. Und darauf baut wiederum ihr Erforschungsmut auf: Sicher gebundene Kinder dringen tiefer in ihre Umwelt ein und versorgen sich damit eigenständig mit immer neuem Lernstoff (wir sind dieser »Selbstwirksamkeit« ja bereits im Kapitel »Ausmisten!«, Seite 43, begegnet). Dieses Beziehungs – und Bindungssystem sieht in jeder Kultur und in jeder Familie anders aus, immer aber sind die sichernden Zutaten dieselben: emotionale und auch körperliche Nähe, Verlässlichkeit und Feinfühligkeit der betreuenden Person(en).
    ZWEITENS: ANDERE KINDER. Homo sapiens ist kein Einzelgänger, sondern ein Gruppenwesen. Die Fähigkeiten für diesen sozialen Lebensstil erwirbt er nicht nur von den Erwachsenen – sondern als Kind von anderen Kindern. Empathie, Fairness und die Fähigkeit, in einer Gruppe klarzukommen, entstehen ganz stark im sozialen Quirl der Kindergruppe – vor allem im Spiel mit Kindern auf unterschiedlichem Entwicklungsstand.
    DRITTENS: UNTERSTÜTZUNG DURCH DEN »STAMM«. Menschen sind evolutionär gesehen auf ein gemeinschaftliches Aufziehen ihres Nachwuchses angelegt: Kinder gedeihen dort am besten, wo Helfer mit anpacken. Die Eltern sind wichtig, aber sie können es nur schaffen, wenn ihnen andere vertraute Menschen den Rücken stärken. Je reichhaltiger dieses sichernde Netz, desto besser für die Entwicklung der Kleinen.

    VIERTENS: FREIHEIT. Um in ihr – sehr unterschiedliches – kulturelles Umfeld hineinzuwachsen und um ihre – sehr unterschiedlichen – individuellen Potenziale ausschöpfen zu können, brauchen Kinder eine ganz besondere Möglichkeit: nämlich nach einem eigenen Plan zu lernen. Sie müssen sich deshalb eine eigene, passende Umwelt schaffen können! Das gelingt am Besten im selbstbestimmten, freien Spiel. Hier schaffen Kinder sich ihre Wunschwelten, hier werden sie kreativ, hier versorgen sie sich mit einem auf sie selbst abgestimmten Input. Kurz: Ein Homo-sapiens-Kind braucht Spielraum!
    FÜNFTENS: EINE WELT IM GLEICHGEWICHT. Im Laufe der Kindheit entwickeln Kinder ein inneres Bild von der Welt, in der sie leben – sie erzählen sich selbst eine

Weitere Kostenlose Bücher