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Menschenkinder

Menschenkinder

Titel: Menschenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Renz-Polster
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sich selbst zu verlassen, eben weil ihnen auf ihrem Weg zu viele Vorgaben, Ängste und Begrenzungen entgegengeschlagen sind. Wer zu viel von außen gesteuert wird, kann nicht lernen, sich von innen heraus selbst zu steuern. Er wird schwach und mutlos. Zu wenig Grenzen? Wir sollten uns vor pauschalem Denken hüten.
    Wie können wir unseren Kindern heute helfen, die richtige Balance zu finden? Eine Balance, die ihnen genug Freiraum gibt, um sich in sozialer und emotionaler Hinsicht zu entfalten – und sie gleichzeitig auch nicht den »übernatürlichen« Verlockungen der heutigen Welt ausliefert?
    Das Anstaltsprinzip wird kein Ausweg sein. Familien sind keine Anstalten und Eltern keine Anstaltsleiter. Wer will denn heute wieder so leben? Und Kinder werden eben nicht stark und zufrieden, indem wir Großen sie stärker an die Kandare nehmen. Ja, die Frage ist überhaupt, ob die Familie es schaffen kann, dass Kinder die richtige Balance finden – in manchen Familien wackelt dazu das »Beziehungsfundament« zu sehr, in anderen sind die Eltern beruflich bis zum Anschlag gefordert. Zudem tragen, wenn es um die Erziehung geht, in den meisten Familien zunehmend weniger Schultern mit.
    Da führt nichts an den kindlichen Lebenswelten vorbei, besonders den Kitas und den Schulen. Diese Räume gilt es zu stärken
und neu zu beleben, wollen wir unsere Kinder nicht in den modernen Honigtöpfen versinken oder als debilisierte Konsumenten in Fastfood-Ketten oder in Shopping-Meilen verschwinden sehen. Wo sonst in ihrer heutigen sanierten Umwelt haben Kinder denn das Beziehungsnetz, in dem sie Verantwortung erlernen können, in dem sie sozial kompetent und widerstandsfähig werden können? Kleine Familien und fehlende Kinderbanden auf den Straßen werden ja auf absehbare Zeit Realität bleiben.
    Umso wichtiger, dass die Lebenswelten der Kinder endlich so gestaltet werden, dass Kinder dort nicht nur Bildungsangebote bekommen, sondern einen Lebensraum, in dem sie ihre Balance finden können und beides erfahren: ihre Grenzen und ihre Freiheiten.

7
DIE RICHTIGE FÖRDERUNG: KAMPF DER SYSTEME?
    Warum ist der Streit um die Grenzen so eskaliert? Wie konnte es so weit kommen, dass neuerdings sogar über die Verbrennung von Stofftieren als pädagogisches Mittel nachgedacht wird?
    Das liegt, wie so manches, an der Globalisierung. Diese bringt nun einmal nicht nur Waren und Fertigungstechniken, sondern auch kulturelle Modelle und »Kinderbilder« auf einem gemeinsamen Markt zusammen. Waren im kalten Krieg die Erziehungssysteme auf der »anderen Seite« automatisch schlecht (man erinnere sich an die mit einigem Plutonium bestückte Krippendiskussion),
so treten die kulturellen Leitbilder heute offen miteinander in Konkurrenz: Worin besteht die »richtige« Förderung für Kinder? Wie kann man Kinder am besten auf ein erfolgreiches Leben vorbereiten? Und welchen Erfolg meinen wir?
    Bei einem solchen Aufeinanderprallen gehören Pauschalisierungen und Paukenschläge zunächst einmal dazu – der bereits angesprochene Vorwurf etwa, die »westliche« Erziehung ließe die Kinder mangels Führung und Anregung verlottern, die »chinesische« Erziehung dagegen baue sie zu Siegern auf. Beides mag stimmen, aber eben nur für eine kleine Minderheit. Da ist die Frage nach den »Kosten« für die Mehrheit schon interessanter – auch für die Gesellschaft als Ganzes.
    Aber gibt es vielleicht einen Weg zwischen den Extremen? Eine Erziehung, die Kinder nicht unbedingt zu sozial schwachen Einserschreibern zurichtet – und sie trotzdem nicht vor dem Bildschirm oder beim Dauer-Chillen verwahrlosen lässt? Eine Förderung, die nicht darin besteht, dass wir Erwachsenen das Kommando übernehmen und unsere Kinder wie Drohnen durch die Kindheit lenken – die aber auch nicht beim »Let the children play« stehen bleibt?
    Damit wären wir wieder bei den Kindern und ihrer evolutionären Geschichte. Sie haben die vielen unterschiedlichen Wege ins Erwachsenenleben ja nur finden können, weil sie begierig sind zu lernen — und zwar von sich aus. Wo haben sie dabei Rückenwind, wo Gegenwind? Welche Art der »Förderung« kann funktionieren, welche nicht?
    Kein falsches Konzept
    Dass Förderung funktioniert, zeigen die Erfahrungen mit sozial benachteiligten Kindern. Wenn sie in den richtigen Kindergarten und die richtige Schule gehen, können sie aufholen – dank der dort erfahrenen Förderung! Auch ein Kind mit besonderen Talenten
blüht durch Förderung oft wunderbar auf.

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