Menschenkinder
Praxis zu führen hat) bringt da aber »alle Geduld der Welt« mit – und die braucht es manchmal. Auch hier: Fragen Sie, reden Sie mit anderen Müttern und Ihrer Hebamme.
DRITTENS: ES IST IHRE GEBURT. Reden Sie darüber mit allen, die Sie begleiten werden, vor der Geburt (unter der Geburt fängt keine Frau zu diskutieren an): Wie läuft das hier ab? Wie oft kommt es zum Kaiserschnitt? Wie oft zu Dammschnitten? Wie wird das Abnabeln gehandhabt? Beschreiben Sie, wie Sie sich Ihre Geburt vorstellen – wird darauf eingegangen, oder kommen immer nur Gegenargumente? Die sind ernst zu nehmen, sprechen aber nicht gegen die Suche nach einem Kompromiss. Wer sich mit dem zufrieden gibt, »was eben so üblich ist«, bekommt die Art der Geburtshilfe, die »eben so üblich ist« (hier unterscheidet sich die Klinikwelt nicht vom echten Leben).
VIERTENS: UNTERSTÜTZUNG TUT GUT. Die kann vom Vater des Kindes kommen, von einer anderen, der Mutter wichtigen und angenehmen Person oder auch von einer Doula, also einer Frau, die selbst schon Kinder geboren und eine Ausbildung als Geburtsbegleiterin gemacht hat. Die hartnäckige Suche, ja, Einforderung von Unterstützung bewährt sich übrigens auch nach der Geburt. Wenn etwa das Stillen nicht klappt: nicht lange fackeln, sondern gleich mit einer ausgebildeten Stillberaterin Kontakt aufnehmen (viele Hebammen kennen sich gut mit dem Stillen aus, aber nicht jede Hebamme ist automatisch auch eine kompetente Stillberaterin).
FÜNFTENS: AN DIE EIGENE KOMPETENZ GLAUBEN. Kinderkriegen ist kein Spaziergang, es ist eine Gipfeltour. Aber eine Frau hat von Natur aus alles, was es braucht, um da hinzukommen. Ja, als Gebärende brauchen Sie gute Begleiter und Helferinnen für den Weg, ganz sicher. Aber es bleibt Ihr Weg – selbst wenn da Hindernisse auftauchen und in der Not die Helfer den Weg für Sie und Ihr Kind ebnen müssen. Auch das Kind, das dann geboren wird, ist ja Ihr Geschenk.
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GESELLSCHAFT IN GEFAHR: WO IST DAS DORF GEBLIEBEN?
Betrachten wir Deutschland einmal aus der Familienperspektive. Da fallen gleich einmal zwei Probleme auf. Zum einen: Kinderarmut. Deutschland hat immer mehr arme Kinder – in der viertreichsten Nation der Erde lebt heute etwa jedes zehnte Kind in Armut.
Das zweite Problem ist – Kinderarmut! Deutschland wird immer ärmer an Kindern. Und das mit deutscher Gründlichkeit. Pro Jahr fehlen hierzulande ziemlich genau 350.000 Kinder für eine ausgeglichene Bevölkerungsentwicklung – bei einer jährlichen
Geburtenzahl von etwa 650.000 Kindern eine imposante Zahl. Deutschland ist damit im europäischen Vergleich Schlusslicht.
Dass ein und derselbe Begriff gleich zwei Hauptprobleme unserer Gesellschaft beschreibt, ist kein Zufall. Sie hängen nämlich zusammen.
Betrachten wir den Trend. In den 1960er-Jahren wurden in Deutschland etwa doppelt so viele Kinder geboren wie heute. Von diesen lebten etwa 2% unter der Armutsgrenze. Diese Rate hat sich seither vervielfacht – über fünf Millionen Kinder in Deutschland leben heute in Haushalten mit einem Jahreseinkommen von unter 15.000 Euro.
Dabei ist Kinderarmut keine dieser lästigen, aber unvermeidlichen Begleiterscheinungen moderner Gesellschaften. Das zeigt der europäische Vergleich. So gibt es etwa in Dänemark viermal weniger arme Kinder als hierzulande. Ähnlich niedrige Armutsraten gelten für die anderen nördlichen europäischen Länder und auch für die Niederlande. Gleichzeitig weisen gerade diese Länder innerhalb Europas die höchsten Geburtenraten auf.
Wir stehen damit vor einer grotesken Tatsache: Im reichsten und produktivsten Land Europas werden am wenigsten Kinder geboren. Und unter diesen finden sich zudem noch deutlich mehr arme Kinder als in den meisten anderen europäischen Ländern.
Wenn das keine Bankrotterklärung ist, was dann?
Die Politik redet stattdessen gerne von dem Phänomen des »zu lange aufgeschobenen Kinderwunsches« oder den »Rollenkonflikten in der Biographie der modernen Frau«. Das ist leichter, als den Bürgern reinen Wein einzuschenken: Wir haben Raubbau betrieben. Wir haben immer nur das Investitionsklima für die Wirtschaft im Auge gehabt. Und nicht das Klima dort, wo Kinder geboren und großgezogen werden.
Statt um den heißen Brei herumzureden, will ich auch für diese Fragen die evolutionäre Perspektive einfordern.
Angestammtes Gesellschaftsmodell?
Es gibt zwei soziale Strategien, die von den unterschiedlichen Arten in unterschiedlichem Maß genutzt
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