Menschenkinder
unglaublich aufwendigen Kinder eines Homo sapiens erfolgreich aufwachsen konnten. Sie hat es zugelassen, dass die individualistische Seite unseres Gehirns von ihrem sozialen Gegengewicht entbunden wurde. Das mag für die rein wirtschaftliche Leistung sehr hilfreich sein (zumindest solange man vom »Humankapital« aus Generationen zehren kann, die so unvernünftig waren, sich auch noch Kinder ans Bein zu binden). Für die Kinder aber ist der entfesselte Individualismus ein Desaster. (Für den Planeten insgesamt sieht es auch nicht viel besser aus.)
Schauen wir uns diesen entfesselten Individualismus einmal genauer an. Da fallen noch weitere Ungereimtheiten auf. Entgegen anderslautender Behauptungen spiegelt er nicht einmal das – ja durchaus in uns angelegte – Leistungsprinzip wider. Manche Gruppen in der Gesellschaft werden nämlich unabhängig von ihrer Leistung bevorzugt. So wird nur das durch Arbeit erzielte Einkommen in nennenswertem Umfang besteuert, und da werden schon sehr kleine Löhne in die Pflicht genommen. Vermögen dagegen, und sei es noch so groß, bleibt praktisch ganz außen vor. Damit ist ein immer größer werdender Teil des Reichtums dieser
Gesellschaft von sozialen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen praktisch freigestellt. Etwa 1% der deutschen Kinder wird in den kommenden Jahrzehnten ein Viertel des gesamten Vermögens in Deutschland erben – und sie werden davon anteilig weniger für die Gemeinschaftsaufgaben dieser Gesellschaft abzweigen müssen als die unterste Einkommensgruppe der Lohn – oder Gehaltsempfänger. Stellt man dazu noch in Rechnung, dass der Aufbau von Vermögen in den letzten Jahrzehnten zunehmend über spekulative Geschäfte erfolgte (deren Risiken letzten Endes von der Allgemeinheit mit abgedeckt werden), ist dieses System zutiefst ungerecht. Zu viel Geld in zu wenigen Taschen – das kann für eine soziale Spezies wie den Menschen langfristig gar nicht funktionieren.
Machen wir uns nichts vor. Was unsere Gesellschaft bedroht, ist nicht nur die soziale Frage »dort unten« – es sind nicht die am unteren Rand Gestrandeten, die »Deutschland abschaffen«. Unser Problem ist die mangelnde Integration dort oben – dass sich eine ganze Schicht losgesagt hat von der Verantwortung für die Gesamtheit. Ein Fondsmanager kann heute durch die Spekulation mit Rohstoffen oder Nahrungsmitteln das Hunderttausendfache von dem verdienen, was eine Erzieherin bekommt (anders als bei der Erzieherin findet sein Geld aber oft den verschlungenen Weg in irgendeine Steueroase). Ein Schönheitschirurg verdient am Tag oft mehr als eine Tagesmutter in einem ganzen Jahr. Es ist an der Zeit, dass wir wieder öfter nach dem gesellschaftlichen Nutzen fragen. Es ist an der Zeit, dass wir dafür sorgen, dass zwischen Angebot und Nachfrage auch die Zukunft Platz hat (wie es der Journalist Karl-Heinz Büschemann einmal ausgedrückt hat). Jedenfalls spricht rein gar nichts dagegen, dass wir unsere Gesellschaft so gestalten, dass auch die Bonusempfänger und Millionen-Erben dieser Republik ihren fairen Beitrag dazu leisten, dass in ein paar Jahrzehnten hier noch Kinder leben!
Was (sonst noch) zu tun ist
Familien brauchen Hilfe. Das können alle unterschreiben, von der Familienhelferin beim Jugendamt bis zur Familienministerin. Die Frage ist dann nur: wie viel? Und vor allem: wie ?
Und da beginnt das Drama. Denn gerade Deutschland hat bei der Antwort jahrzehntelang gemogelt. Ja, man gibt für die Familien einiges aus (im OECD-Durchschnitt liegt Deutschland im oberen Mittelfeld). Doch was man gibt, wird vor allem in Form direkter finanzieller Hilfen ausgeteilt – als Freibeträge bei der Steuer oder als Kindergeld. Aber genau das ist der am wenigsten geeignete Weg, um den Kindern zu helfen (aber der beste Weg, um Wahlen zu gewinnen). Was kommt denn von dem an die Eltern ausgeteilten Geld wirklich bei den Kindern an? Natürlich werden davon sehr wohl auch Schuhe für die Kleinen bezahlt – in viel zu vielen Fällen aber machen die Transferzahlungen keinen wirklichen Unterschied für die Kinder. Sie entscheiden vielleicht, ob vor der Garage ein VW Polo oder ein VW Golf steht. Oder – politisch korrekt kann nur der sein, der die Realität nicht kennt – ob der Vater noch ein paar Kumpels zum Bier mit einladen kann oder nicht.
Effektiver ist das, was insbesondere die nördlichen europäischen Länder machen (wohl weniger gehemmt durch ideologische Denkverbote, die Deutschland in der
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