Menschenkinder
diese Zahlen noch immer als eine Art medizinisches Geheimwissen behandelt und dürfen etwa von den Kassen nicht auf Krankenhäuser bezogen veröffentlicht werden). Und ja, es gibt die Ärzte, die vor dem Wochenende lieber noch schnell mal per Schnitt entbinden.
Aber die meisten Ärzte machen eben das nicht – und trotzdem läuft das System aus dem Ruder. Die Geburtshilfe steckt damit zum Teil im gleichen Dilemma, wie wir es von anderen Systemen kennen, von der Finanzwirtschaft bis zur Globalisierung. Jeder verhält sich in seiner Rolle rational – und doch geht das System insgesamt in die falsche Richtung.
Was ist zu tun? Zum einen gilt es, die Alternativen zu stärken. So haben von Hebammen geführte Geburtshäuser über Jahrzehnte exzellente Arbeit geleistet und kämpfen trotzdem ums Überleben. 50% der Geburtshäuser und Entbindungspraxen haben in den letzten fünf Jahren die Geburtsbegleitung ganz eingestellt – die ambulante Geburtshilfe rechnet sich nicht mehr. Dasselbe gilt für Hausgeburten. Es kann nicht angehen, dass unsere Gesellschaft immer schwierigere Startbedingungen für junge Familien beklagt, aber gleichzeitig den Hebammen langsam, aber sicher das Licht ausdreht. Laut Statistik arbeitet eine Hebamme nur vier Jahre voll in ihrem Beruf, danach arbeitet sie Teilzeit oder wendet sich einer anderen Tätigkeit zu – weil sie von ihrem Beruf nicht leben kann. Wenn eine Gesellschaft meint, sie könne auf die Hände verzichten, die den Kindern ins Leben helfen, dann muss sie sich nicht wundern, wenn die Geburt immer öfter per Wehentropf oder per Skalpell erfolgt.
Auch die Denke gehört auf den Prüfstand. Wir leben in einer Kultur, die Extremsituationen großformatig in Szene setzt, die Geburtserfahrung jedoch wird oft als »masochistische und überflüssige Zusatzübung« dargestellt. Während noch vor 15 Jahren Schwangere oft mit langen Listen in die Klinik kamen, was sie für die Geburt alles nicht haben möchten, steht jetzt auf den Listen, was genau sie haben wollen. Kein Wunder, dass es auf den Informationsveranstaltungen der Kliniken weniger um die eigenen Kräfte der Schwangeren geht, als vielmehr um die Techniken der Klinik und wie die genutzt werden können. Vielleicht ist auch das ein Grund, weshalb heute selbst Krankenhäuser mit einer Kaiserschnittrate von 50% kein Problem haben, ihre Kreißsäle zu füllen.
Die Balance finden
Auch bei den Geburten scheinen wir also aus der Balance geraten zu sein. Nein, die menschliche Geburt ist kein Spaziergang. Und sie ist nicht gefahrlos. Aber wir Menschen haben Möglichkeiten und Fertigkeiten entwickelt, um damit umzugehen und die Gebärende zu stärken. Dieses System der Geburtshilfe hat viele Dimensionen, da gehört die Unterstützung durch das familiäre Umfeld dazu, die persönliche Begleitung bei der Geburt, die Hilfen der Hebammen, seien sie seelischer, ritueller oder handwerklicher Natur, und natürlich auch die medizinischen und die intensivmedizinischen Hilfen. Jede dieser Komponenten hat ihren Wert, jede kann zum Gelingen einer Geburt beitragen, jede hat ihre Stunde. Die Tragik besteht darin, dass die Geburt mittlerweile komplett unter das Primat der Intensivmedizin gestellt wurde. An die Stelle der »gekonnten Nicht-Intervention« ist die immer feinmaschigere Überwachung im Rahmen des »Geburts-Managements« getreten. Das ist vielleicht für eine Massenkarambolage die richtige Strategie, nicht aber für einen so intimen und persönlichen Vorgang wie die Geburt eines Menschenkindes.
Was können Mütter und junge Familien in diesem Umfeld konkret tun, damit die Geburt dann doch nach Möglichkeit so läuft, wie sie sich das eigentlich wünschen?
ERSTENS: SIE HABEN DIE WAHL DES ORTES. Nur an einem als sicher und stressfrei empfundenen Ort kann Gebären in Geborgenheit gelingen. Das kann in einer Klinik, einem Geburtshaus, einer Entbindungspraxis oder zu Hause sein – für eine gesunde, gut vorbereitete Mutter mit einer normalen Schwangerschaft sind das alles gute und vernünftige Optionen.
ZWEITENS: WELCHE FACHLEUTE BEGLEITEN SIE BEI DER GEBURT? Bietet die Klinik die Möglichkeit, dass Ihre Hebamme (also die Hebamme, die Sie auch in der Schwangerschaft begleitet), Sie dort entbindet? Wenn nicht, lernen Sie das Hebammen-Team bei einem Besuch kennen: Stimmt die Chemie? Wenn Ihr Gynäkologe oder Ihre Gynäkologin als Belegarzt zur Geburt in die Klinik kommt,
kann das ein Plus sein. Nicht jeder Belegarzt (der ja nebenher noch seine
Weitere Kostenlose Bücher