Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
was über sie erzählen kannst.«
»Ach so«, schnaubte Lehmann gedehnt. »Das ist natürlich was ganz anderes. Klar kenne ich die beiden, und zwar ziemlich gut. Immerhin waren sie eine Zeit lang mal so was wie mein persönliches Sozialprojekt.«
»Hast du noch als Fußballer mit ihnen zu tun gehabt?«
»Nein, das nicht. Ich war bestimmt schon mehr als zwei Jahre in der Fußballerrente, als sie in der ersten Mannschaft zu kicken angefangen haben. Aber ich habe, gerade weil es klar war, dass es sich bei ihnen um schwierige Charaktere handelte, so was wie die Patenschaft für sie übernommen. Das ist auch ein paar Jahre gut gegangen, aber irgendwann hatte ich einfach die Schnauze voll von ihnen. Und zwar gestrichen voll.«
»Was ist passiert?«
Lehmann schnaufte erneut schwer durch.
»Es ging um ein Ding, dass sie in Bergshausen gedreht hatten; einen Einbruch in ein Elektrolager, bei dem sie erwischt wurden. Ich Idiot bin noch vor der Verhandlung zum Richter gedackelt und hab ihm lang und breit erklärt, dass die beiden wirklich keine schlechten Kerle sind und so weiter. Bei der Gerichtsverhandlung das Ganze noch mal, und das hat ihnen schließlich die Bewährung eingebracht. Ansonsten wären sie, weil sie ja alles andere als unbeschriebene Blätter waren, gleich in den Knast eingefahren. Nach der Verhandlung haben wir zusammen was getrunken und jeder von ihnen hat mir in die Hand versprochen, dass er sein Leben nun von Grund auf ändern würde.«
Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.
»Und ich Idiot habe denen auch noch geglaubt!«
»Wie ging es weiter?«
»Keine sechs Wochen später hat man Ottmar nachts in einem Supermarkt geschnappt, als er sich gerade mit 120 Stangen Zigaretten aus dem Staub machen wollte. In einem Einkaufswagen übrigens. Bei der folgenden Flucht hat er sich an einer kaputten Scheibe den kleinen Finger der linken Hand abgetrennt. Wie blöd muss man denn für so eine Nummer sein? Natürlich war klar, dass auch Fritz an dem Ding beteiligt war, aber nachweisen konnte man ihm nichts. Und Ottmar hätte jeden Eid der Welt geschworen, dass er es allein gewesen ist.«
»Hast du sie seitdem mal wiedergesehen?«
Lehmann schüttelte den Kopf.
»Nein, und das will ich auch gar nicht. Ich habe versucht, für sie zu tun, was mir möglich war, aber das ist vorbei. Ich will mit ihnen nichts mehr zu tun haben. Aus und vorbei.«
»Das ist gut zu verstehen, Lemmi«, erklärte Hain mit echter Empathie in der Stimme. »Irgendwann muss jeder selbst schwimmen gelernt haben.«
»Ja, das stimmt. Aber warum sucht ihr eigentlich nach ihnen? Mit Mord und Totschlag hatten sie bisher nach meinem Wissen nichts zu tun.«
»Dass wir nach ihnen suchen«, stimmte Lenz ihm zu, »muss nicht zwangsläufig heißen, dass sich daran etwas geändert hat.«
Der Hauptkommissar schilderte seinem Kollegen ausführlich die Ereignisse, seit die drei Toten in der Schrebergartenlaube gefunden worden waren.
»Das ist ja ein Ding, Paul. Ich habe natürlich mitgekriegt, dass ihr drei Tote habt, aber wo und wie sich das im Detail abgespielt hat, davon hatte ich keine Ahnung. Im Augenblick wissen wir hier selbst nicht, wo uns der Kopf steht, weil so viele Kollegen wegen der grassierenden Erkältungskrankheiten nicht im Dienst sind. Wir arbeiten praktisch mit halber Besetzung.«
»Wenn du«, kam Lenz auf den eigentlichen Grund ihres Besuchs zurück, »die Eberhardt-Brüder so lange nicht gesehen hast, wirst du uns vermutlich nicht weiterhelfen können, oder?«
Wieder ein Kopfschütteln von der anderen Seite des Tisches.
»Das stimmt so nicht. Ein Kegelbruder von mir, auch ein ehemaliger Fußballer, hat Kontakt zu ihnen. Er erzählt hin und wieder was über sie, und ich strenge mich schwer an, mich nicht dafür zu interessieren. Wartet, ich rufe ihn kurz an.«
Zwei Minuten später hielt der leitende Hauptkommissar von K11 die Adresse des vermutlichen Aufenthaltsorts von Ottmar und Fritz Eberhardt in den Händen.
*
»Das ist ja das totale Industriegebiet hier«, fasste Hain seine Eindrücke zusammen, bevor er sich aus dem Kombi schälte und die Tür hinter sich ins Schloss warf. Lenz stand schon neben dem Toyota und betrachtete die Ansammlung mehrerer alter, verlassener Gewerbehallen, vor denen sie standen.
»Schöner hätte ich das jetzt auch nicht sagen können, Thilo«, stimmte er seinem Kollegen zu. »Und jetzt komm, wir wollen schließlich nicht den ganzen Tag mit der Suche nach den beiden
Weitere Kostenlose Bücher