Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
verplempern.«
Damit wandte er sich nach links und steuerte auf ein kleines, dringend renovierungsbedürftig wirkendes Häuschen zu, aus dessen Schornstein dunkler Rauch aufstieg und dessen Fenster mit dicken Eisblumen verziert waren. Hier, so hatte zumindest Lehmanns Kegelbruder es dem KDD-Mann glaubhaft versichert, würden die Eberhardt-Brüder leben.
»Wenn ich den Qualm da oben richtig einschätze«, deutete Hain auf die Rauchsäule, »sollten unsere Freunde, in dicke Decken eingemummelt, auf der Couch rumlümmeln und sich billige Pornos reinziehen.«
»Auf was für Ideen du immer kommst …«
Dann hatten die beiden Polizisten die hölzerne Eingangstür erreicht, von der sich die ehemals rostrote Farbe in großen Blättern verabschiedete. Eine Klingel gab es nicht, weshalb Lenz mit der flachen rechten Hand gegen die Tür schlug. Als nach einer knappen halben Minute nichts geschehen war, erneuerte er seinen Versuch, diesmal mit etwas mehr Kraft.
Nun bewegte sich der Vorhang des Fensters neben der Tür ein wenig zur Seite, und ein paar Finger rubbelten das Eis an der Einfachverglasung weg.
»Ja, bitte?«, wollte eine jung klingende Frauenstimme wissen.
»Wir sind von der Polizei«, rief der Hauptkommissar und hielt dabei seinen Dienstausweis hoch. »Können Sie bitte die Tür öffnen?«
»Was ist denn los? Ist etwas passiert?«
»Können wir das vielleicht im Haus besprechen?«, wollte Hain nun wissen. »Es ist ganz schön kalt hier draußen.«
Der Vorhang fiel in seine ursprüngliche Position zurück, danach wurde die Tür langsam nach innen gezogen, wobei sie ein schabendes Geräusch auf dem Linoleumboden verursachte, und das Gesicht einer jungen Frau tauchte auf.
»Um was geht es denn?«, wollte sie wissen.
»Um zwei Brüder mit dem Namen Eberhardt, die hier wohnen sollen. Stimmt das?«
Sie nickte.
»Ja, das stimmt. Also – eigentlich.«
»Was heißt das, eigentlich ?«
»Na ja, dass die beiden eigentlich hier wohnen. Aber dass sie auch schon ein paar Tage nicht hier gewesen sind.«
Hain erneuerte seine Bitte, im Haus weitersprechen zu wollen.
»Also gut, kommen Sie herein«, erwiderte die junge Frau, deren kugelrunder Bauch deutlich auf das bald bevorstehende Ende einer Schwangerschaft hindeutete, mit unverhohlenem Widerwillen. »Aber schauen Sie sich bloß nicht um, bei uns…, ähm …, …bei mir ist nämlich nicht aufgeräumt.«
»Das macht gar nichts«, erwiderte der junge Polizist, bereute diese Aussage jedoch schon ein paar Augenblicke später zutiefst.
»Ach, du Scheiße«, murmelte er leise, nachdem er einen ersten Blick in den Flur geworfen hatte, wo es wegen der zu beiden Seiten deckenhoch und bedrohlich schief aufgestapelten Umzugskartons kaum ein Durchkommen gab. Die Frau ging vor den Beamten her, wobei sie sich ungelenk zwischen den Pappbehältern hindurchschlängelte. Dann standen sie im Wohnzimmer des kleinen Hauses, dem Hain ebenfalls nur ein gerade noch unterdrücktes Kopfschütteln abgewinnen konnte. Überall lagen Zeitungsstapel herum, garniert mit Essensresten und überquellenden Aschenbechern. Ein in der Ecke stehender, völlig deplatziert wirkender riesiger Flachbildfernseher sendete tonlose Bilder, und es stank so abenteuerlich nach abgestandenem Schweiß und kaltem Rauch in der Bude, dass der junge Polizist sich am liebsten sofort wieder ins Freie gestürzt hätte. Seinem Chef schien der Saustall nicht so viel auszumachen, zumindest ließ er es sich nicht anmerken.
»Sie leben hier mit den Brüdern Eberhardt?«, wollte er freundlich von der Frau wissen, die sich auf die tannengrüne, abgewetzte Couch an der langen Wand und neben dem Kohlenofen gesetzt hatte. Im Tageslicht, das trotz der gefrorenen Scheiben hereinfiel, sah sie bei Weitem nicht mehr so jung aus wie noch an der Tür.
»Ja, die beiden wohnen hier.«
»Wie lange schon, Frau …?«
»Ich heiße Regina Priester«, beantwortete sie den zweiten Teil seiner Frage zuerst, um dann leise fortzufahren. »Keine Ahnung. Zwei Jahre vielleicht. Ungefähr.«
Lenz deutete auf ihren Bauch.
»Und einer der beiden ist der Vater des Kindes?«
Sie nickte.
»Wer von ihnen ist denn der Glückliche?«
Sie sah den Polizisten mit versteinerter Miene an, überging jedoch seine Frage.
»Ich hab ja schon gesagt, dass die beiden schon länger nicht mehr hier waren. Also wenn sie was von Fritz oder Ottmar wollen oder sie suchen, kann ich Ihnen leider gar nicht weiterhelfen.«
»Ja, wir haben, wie ich schon gesagt habe, ein
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