Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
kein Europäer, sondern ein Asiate. Also vielleicht ein Chinese oder ein Japaner.«
Nun veränderte sich ihr Augenaufschlag in Richtung pikiert.
»Was sollten meine Jungs mit einem Schlitzauge zu tun gehabt haben?«
» Schlitzauge ist nicht sehr freundlich diesen Menschen gegenüber, Frau Eberhardt«, mischte Thilo Hain sich mit deutlich gereiztem Unterton in der Stimme ein.
»Was interessiert mich, ob das freundlich ist oder nicht. Fritz und Ottmar haben sich jedenfalls nicht mit solchen Leuten abgegeben, das kann ich Ihnen auf den Kopf zusagen.«
»Hatten die beiden was gegen Ausländer?«
»Was weiß ich? Jedenfalls haben die bei Eintracht Frankfurt lieber Ungarn und Koreaner genommen, damals.«
»Ach so, das meinen Sie.«
»Ja, das meine ich«, blökte sie unvermittelt los. »Genau das meine ich.«
»Bitte, Frau Eberhardt«, legte Lenz beruhigend seine Hand auf ihren Arm, »lassen Sie uns doch …«
»Was sollen wir?«, unterbrach sie ihn schroff, wobei erneut ein Strom von Tränen aus ihren Augen schoss. »Meine Kinder sind tot. Tot! Und Sie sitzen hier und erzählen mir was von einem Reisfresser.«
»Sie wollen uns damit sagen, dass Ihre Söhne definitiv keinen Kontakt mit Asiaten gehabt haben könnten?«
Ilse Eberhardt zog laut die Nase hoch, schwieg jedoch zur Frage des Kommissars.
»Sie waren gute Jungs, das können Sie mir glauben; auch wenn viele Leute was anderes über sie gesagt haben, es waren wirklich gute Jungs.«
»Das wollen wir doch auch gar nicht bestreiten, Frau Eberhardt. Wir würden nur gerne so schnell wie möglich den oder die Mörder der beiden fassen, und dazu brauchen wir alle Informationen, die uns weiterhelfen könnten.«
Seine Hand streifte sanft über den Arm der Frau.
»Also, wissen Sie etwas über Kontakte zu Asiaten?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, da weiß ich wirklich nichts drüber. Und vorstellen kann ich es mir auf keinen Fall. Schon wegen diesem blöden Bum Kun Cha oder wie der hieß.«
Hain verstand nur Bahnhof und holte schon Luft, ein wissender Blick seines Chefs ließ ihn jedoch von einer Nachfrage absehen.
»Der war schuld, dass es mit der Eintracht nichts geworden ist?«
»Ja, klar. Die haben lieber diesen Schlitzi genommen als meine Jungs, obwohl der Fritz und der Ottmar garantiert viel besser gekickt haben als der.«
Wieder fing Ilse Eberhardt an zu schluchzen.
»Und jetzt? Jetzt liegt mein Mann als Krüppel im Pflegeheim, und die Jungs sind tot.«
Sie sah auf und wischte sich über die Wangen.
»Wie geht das überhaupt alles weiter? Muss ich sie identifizieren?«
»Nein, das ist im Augenblick nicht notwendig«, beeilte sich Lenz mit Hinblick auf den Zustand der beiden zu erwidern.
»Wann genau haben Sie Fritz und Ottmar eigentlich zum letzten Mal gesehen?«
»Letzte Woche. Sie waren hier, weil sie ihre Reisepässe gesucht haben.«
»Wollten sie in Urlaub?«
»Das weiß ich nicht, damit sind sie nicht rausgerückt.«
»Und, haben sie gefunden, wonach sie gesucht haben?«
»Ach, Quatsch. Die haben doch noch nie in ihrem Leben Reisepässe gehabt. Wozu auch? Um nach Mallorca in den Puff zu fliegen? Dafür hat es auch der Personalausweis getan.«
»Wissen Sie«, räusperte Lenz sich nach einer kurzen Pause, »dass es da eine junge Frau gibt, bei der sie gewohnt haben?«
»Die kleine Priester?«
»Ja, Regina Priester.«
»Klar wusste ich davon. Warum auch nicht, ist ja nichts bei.«
Nun war Hain es, der seinem Boss einen warnenden Blick zuwarf.
»Wissen Sie auch, dass …?«, fuhr der Hauptkommissar zunächst fort, brach dann jedoch seine Frage ab.
»Was soll ich wissen?«
»Mein Kollege will nur wissen, ob Sie die Adresse kennen«, ging Hain dazwischen.
»Nein, die haben sie mir nie gesagt. Hatten wohl Angst, dass ich dann unangemeldet aufkreuzen würde. Hätte ich aber nicht gemacht. Und jetzt ist es ja sowieso zu spät. Wo sind die Jungs eigentlich?«
»Im Rechtsmedizinischen Institut. Es braucht noch ein paar Untersuchungen, bis die Leichname freigegeben werden.«
»Und wer kümmert sich dann um die Beerdigung?«, wollte sie wissen. »Machen Sie das in so einem Fall?«
12
Der imposante Bau von Nipimex mit dem architektonisch außergewöhnlich gestylten Pultdach im Gewerbegebiet Waldau strahlte nicht nur wegen des strengen Frosts eine bedrückende Kühle aus.
Watane Origawa hatte die etwa 300 Meter von der Bushaltestelle bis zum Firmensitz von Daijiro Tondo mit ständig langsamer und kleiner werdenden Schritten hinter
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