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Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Titel: Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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auf die Theke zu, hinter der noch immer die junge Frau stand, die ihr so vehement davon abgeraten hatte, bei Nipimex zu arbeiten.
    »Und, hat es geklappt?«, wollte die zögernd wissen. »Wirst du der neue Star am glorreichen Nipimex-Himmel?«
    »So würde ich es nicht nennen, aber immerhin fange ich morgen hier an zu arbeiten.«
    »Offiziell?«
    Watane schüttelte den Kopf, wobei sie sich vorsichtig nach links und rechts umsah.
    »Nein, leider nicht offiziell.«
    »Dann wirst du«, flüsterte die Frau hinter dem Tresen, »mindestens 14 Stunden am Tag hart arbeiten müssen und deinen Lohn, wenn überhaupt, erst Wochen oder Monate später sehen.«
    »Aber …«
    »Nicht hier«, wurde ihr Widerspruch von Daijiro Tondos Großcousine sanft abgewürgt. »Wenn du Lust auf ein paar Informationen über den Laden hier haben willst, treffen wir uns lieber heute Abend.«
    Sie nannte ihr den Namen einer Kneipe auf der Friedrich-Ebert-Straße, dem Szenetreffpunkt.
    »Das kenne ich.«
    »Dann sei ab 20:00 Uhr da. Früher kann ich leider nicht, aber warte auf mich für den Fall, dass es hier mal wieder später werden sollte.«
    »Das mache ich. Bis heute Abend also.«
    »Ja. Und jetzt verschwinde besser, bevor uns der Capo noch einmal beim Tratschen an der Theke erwischt. Das kann er nämlich auf den Tod nicht ausstehen.«
     
    Kurz bevor Watane an der Haltestelle ankam, begannen ihre Beine zu zittern. Sie blieb stehen und trat ein paar Mal auf der Stelle, doch die unkontrollierten Bewegungen unterhalb ihrer Hüfte wollten nicht aufhören. Ein paar Jungs, die ebenfalls mit dem Bus in die Innenstadt fahren wollten, sahen dem Treiben der Frau belustigt zu.
    »Ey, brauchst du Hilfe bei deinen Spastiübungen?«, krähte schließlich einer der Typen mit falsch herum aufgesetzter Baseballkappe und in den Kniekehlen hängender Hose.
    »Nein«, rief die Japanerin und war heilfroh, dass in diesem Moment der himmelblau lackierte Bus der Kasseler Verkehrsgesellschaft um die Ecke bog. Sie stieg mit noch immer wackeligen Beinen hinter den Jungs ein, kaufte sich beim Fahrer ein Ticket bis in die Stadt und suchte sich einen Sitzplatz möglichst weit weg von der Gruppe, die grölend die letzte Reihe in Beschlag nahm.
    Wie blöd muss ein Mensch sein , dachte sie, um so eine Scheiße anzuzetteln wie ich eben?
    Weil ihr eine Antwort partout nicht einfallen wollte, versuchte sie stattdessen, die Kontrolle über ihren Körper zurückzuerlangen. Sie griff sich mit den Händen unter die Oberschenkel, spannte die Muskeln in den Armen an und zählte leise bis zehn. Dann entspannte sie sich und wiederholte die Übung ein paarmal. Als der Bus auf die Haltestelle zurollte, an der Watane aussteigen wollte, hatte das Zittern zumindest ein wenig nachgelassen. Trotzdem wartete sie bis zur letzten Sekunde, bevor sie aufsprang, zur Tür hetzte und sich auf den Bürgersteig drängte.
    Ein paar Minuten danach hatte sie das Haus mit dem Apartment ihrer Arbeitskollegin erreicht, stieg die Treppen hinauf, schloss leise die Tür auf und legte ihre Tasche im Flur ab. Dann ging sie auf Zehenspitzen zum Schlafzimmer, schob die Tür nach innen und blickte verstört auf das leer vor ihr liegende Bett.
    »Shinji?«, rief sie leise, bekam jedoch keine Antwort.
    Mit fahrigen Bewegungen sah sie in jedes Zimmer der kleinen Wohnung, doch von ihrem Freund gab es keine Spur. Langsam stiegen ihr Tränen in die Augen und sie fühlte sich unendlich einsam.
    »Shinji?«, rief sie erneut, nun wesentlich lauter, und wiederholte ihre Untersuchung jedes einzelnen Raumes, jedoch mit dem gleichen, erschütternden Ergebnis. Shinji Obo, ihr Freund, war verschwunden.
    Die Erkenntnis, dass irgendetwas mit ihm geschehen sein musste, löste eine wahre Tränenflut bei der immer zerbrechlicher wirkenden Frau aus. Hastig betrat sie den Flur und untersuchte die Wohnungstür auf Einbruchspuren, allerdings ohne Erfolg. Nichts deutete darauf hin, dass hier etwas Unregelmäßiges passiert sein könnte. Auch von außen gab es keine derartigen Anzeichen. Schluchzend ging sie zurück in die Küche und wollte sich auf einen Stuhl fallen lassen, als ihr Blick auf ein weißes, mit wenigen, krakelig ausgeführten japanischen Schriftzeichen bedecktes Blatt Papier fiel.
    ›Ich musste weg. Bitte mach dir keine Sorgen, ich bin bald zurück. Shinji.‹

13
     
    »Wer, verdammt noch mal, ist Bum Bum Ba?«, fragte Thilo Hain seinen Chef, nachdem sie das Haus von Ilse Eberhardt verlassen hatten und im Wagen

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