Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
»aber bevor wir anfangen, will ich Sie lieber darüber aufklären, dass Fritz und Ottmar Eberhardt, so heißen Ihre Nachbarn vollständig, nicht mehr am Leben sind. Sie wurden Opfer eines Verbrechens.«
»Die beiden wurden umgebracht, meinen Sie?«, wollte Petra Röder ohne jegliche falsche oder gespielte Pietät wissen.
»Ja, das ist richtig.«
»Hmm«, machte sie. »Wir haben uns immer gedacht, dass sie Dreck am Stecken haben, aber dass es so schlimm um sie steht, war nun auch nicht zu erwarten.«
»Waren die beiden oft hier?«, mischte Hain sich in das Gespräch ein.
»Mal mehr, mal weniger. Manchmal sind sie jeden Tag da gewesen, dann wieder haben sie sich zwei oder drei Wochen am Stück nicht sehen lassen.«
Die Frau machte eine kurze Pause.
»Wenn ich es mir so überlege, waren sie im Sommer öfter hier als im Winter. Manchmal haben sie hier gegrillt, was im weiteren Verlauf auch schon mal in eine wilde Party ausgeartet ist. Dann ging es über Tische und Bänke, und was den Alkohol angeht, waren sie auch nicht gerade Kostverächter; sagt zumindest mein Mann. Der musste sich nämlich schon das eine oder andere Mal mit ihnen und ihren Gästen herumärgern, wenn es gar zu spät und gar zu laut war.«
»Kam das öfter vor?«
»Na ja, im Sommer schon häufiger, wie gesagt.«
»Was waren das für Gäste, von denen Sie sprachen?«
»Darüber weiß ich leider wirklich gar nichts. Medard, mein Mann, wollte auch keinen Ärger mit denen, weil er befürchtete, dass sie Handgreiflichkeiten gegenüber nicht abgeneigt sein würden.«
»Wurde er bedroht?«
»Ja, aber mehr unterschwellig, soweit ich das von meinem Lauschplatz am Fenster mitbekommen habe. Und von mir haben sie ohnehin immer nur als der Blindschleiche gesprochen, aber das so laut, dass ich es durchaus hören konnte.«
Lenz schüttelte angewidert den Kopf.
»Haben Sie nie die Polizei gerufen?«
»Ach nein, wo denken Sie hin. Unser Wagen parkt immer hier auf dem Hof, unsere Pflanzen wachsen vor unserer Haustür, und wir haben keine Lust, morgens vor einem Trümmerfeld oder einem verkratzten Auto zu stehen. Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, gibt es aus dieser Ecke ja nun nichts mehr zu befürchten.«
»Das ist absolut richtig. Waren unter den Gästen der beiden auch mal Ausländer? Japaner oder Chinesen vielleicht?«
»Da fragen Sie besser meinen Mann, der hat sie immerhin zu sehen gekriegt. Ich würde sagen, dass ich keine ausländische Sprache zu hören bekommen habe; auch keinen Akzent, an den ich mich erinnern könnte.«
»Gäbe es vielleicht die Möglichkeit, mal einen Blick in die Halle zu werfen?«, wollte der Hauptkommissar vorsichtig wissen.
Petra Röder legte die Stirn in Falten und holte tief Luft.
»Ich weiß nicht«, erwiderte sie zögerlich. »Vielleicht ist es besser, wenn ich Nein sage dazu.«
»Wieso?«, wollte Hain wissen.
»Ich glaube«, antwortete sie nach einer kurzen Bedenkzeit, »vor Gericht heißt es in so einem Moment, dass der Angeklagte sich nicht selbst belasten muss.«
Lenz und Hain sahen sich irritiert an.
»Wieso meinen Sie, dass Sie sich mit einer positiven Antwort selbst belasten könnten?«
»Na ja«, meinte sie wieder zögernd, »manchmal verfügt man ja über Dinge, die man eigentlich nicht in seinem Besitz haben dürfte. So meine ich das.«
»Zum Beispiel den Schlüssel zu einer Halle«, kombinierte Hain, »die einem nicht gehört.«
»Das könnte ein gutes Beispiel für einen solchen Fall sein, ja«, gab die Frau mit einem leichten Grinsen im Gesicht zurück. Ihr Ausdruck hatte in diesem Augenblick etwas Schalkhaftes.
Wieder warfen die beiden Polizisten sich einen kurzen Blick zu.
»Wie, meinen Sie denn, könnte die betreffende Person in diesem völlig konstruierten Fall an den Schlüssel gekommen sein, Frau Röder?«, wollte Lenz wissen, dem diese Konversation zunehmend Spaß machte.
»Nun, nehmen wir mal an, die Vorvormieter der leider verstorbenen jetzigen hatten meinen Mann und mich gebeten, einen ihrer Schlüssel zu verwahren. Es handelte sich um einen Oldtimerclub, dessen Mitglieder aus Vergesslichkeit immer mal wieder ohne das notwendige Schließwerkzeug auftauchten, weil, wie ich vermute, sie alle schon um einiges älter waren als die Schätzchen, die sie hier untergestellt hatten. Dann konnten sie bei uns klingeln und sich den Reserveschlüssel ausleihen.«
»Kam das häufiger vor?«
»Mindestens einmal die Woche. Normalerweise bin ich tagsüber hier, weil ich Übersetzungen
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