Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
dann spuck mal aus, um was es geht.«
»Die Sache«, begann Gecks, »klingt dem ersten Anschein nach vielleicht, als ob es nichts für uns ist, aber …«
»RW«, stoppte Lenz seinen Mitarbeiter möglichst gütig, was jedoch nicht einmal im Ansatz gelang, »führ nicht so einen Eiertanz auf. Um was geht es? Möglichst kurz, möglichst präzise.«
»Ho, ho«, kam es aus dem kleinen Lautsprecher zurück. »Schlechte Laune?«
»Nein, Feierabendlaune.«
»Gut. Dann will ich mich mal möglichst kurz und präzise ausdrücken, damit ich auch heim zu Wein und Weib komme. Also. Ins Klinikum ist ein Mann eingeliefert worden, dem jemand die Eier ziemlich übel ramponiert hat. Er lag schreiend in einem Mehrfamilienhaus rum, wo genau, kann ich dir leider nicht sagen. Die Schutzpolizisten, die sich nach einem Anruf der Sache angenommen haben, sagen, dass sie ihn zuerst für einen Junkie gehalten haben, so übel muss der ausgesehen haben. Er spricht, das ist zumindest der jetzige Sachstand, kein Deutsch und liegt im Augenblick in der Notaufnahme. Vielleicht haben sie ihn aber auch schon in den OP geschoben, was weiß ich. Interessant fand ich auf jeden Fall, dass er aus dem Krankenwagen abhauen wollte, gleich nachdem sie mit ihm losgefahren sind. Der Gute hat einem Sanitäter das Nasenbein gebrochen und dem Notarzt ein paar Rippen, um danach aus dem fahrenden Auto zu springen, was ihm aber ganz und gar nicht gut bekommen ist, weil die Kollegen in dem Streifenwagen, der direkt hinter dem Krankenwagen hergefahren ist, ihn dabei auf die Hörner genommen haben.«
Lenz fragte sich für einen Augenblick, wo die Worte kurz und präzise in der blumigen Schilderung seines Kollegen nun genau ihre Daseinsberechtigung hätten.
»Er liegt also jetzt im Klinikum?«
»Genau.«
»Hat er Papiere bei sich?«
»Nein, nicht ein Stück. Das Einzige, was die Kollegen bei ihm gefunden haben, waren vollgerotzte Papiertaschentücher.«
»Hm«, machte der Hauptkommissar. »Und warum, RW, glaubst du nun, dass die Sache in irgendeiner Weise für uns von Interesse sein könnte?«
»Weil der Typ ganz, ganz doll wie ein Asiate aussieht, Paul. Mit allem Drum und Dran. Ein Arzt, mit dem die uniformierten Kollegen gesprochen haben und der eine japanische Frau hat, schwört Stein und Bein, dass es sich bei dem Strolch um einen Japaner handelt.«
»Gut gemacht, RW«, brummte Lenz ebenso erfreut wie kleinlaut ins Telefon. »Ich ziehe meine übellaunige Ansage von eben mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück und mache mich auf den Weg ins Klinikum.«
Damit bedankte er sich noch einmal und sah nach links, wo ihn Thilo Hains weit aufgerissene Augen mit einem abgrundtief bösen Klapperschlangenblick fixierten.
»Soll ich dir ein Taxi rufen?«, war das Einzige, was er wissen wollte.
*
Natürlich hatte Hain seinem Kollegen kein Taxi gerufen und er hatte ihn auch nicht allein ins Klinikum fahren lassen. Ob es an seiner Neugier lag oder ein anderer Grund dahintersteckte, war Lenz schlichtweg egal, als der Kombi des Oberkommissars auf den Parkplatz des Krankenhauses rollte. Auf der Fahrt dorthin hatte sein junger Kollege zwar noch einmal ein wenig herumgenölt, sich jedoch letztlich mit seiner eigenen Entscheidung arrangiert. Ansonsten herrschte Ruhe im Auto.
»Notaufnahme«, gab der Hauptkommissar die Richtung vor, nachdem sie ausgestiegen waren.
»Wohin sonst?«, ätzte Hain bissig zurück.
Zwei Minuten später standen sie einer schwer übergewichtigen, jedoch sehr freundlich dreinblickenden Mitarbeiterin der Klinik gegenüber und hielten ihre Dienstausweise in die Höhe.
»Bei Ihnen wurde im Lauf des Nachmittags ein Asiate eingeliefert«, begann Lenz jovial.
Über das Gesicht der Frau huschte augenblicklich ein Lächeln.
»Ich habe mir schon gedacht, dass heute noch jemand von Ihnen vorbeikommt. Die Sache ist ja auch mehr als merkwürdig.«
»Stimmt«, pflichtete Lenz ihr bei. »Können wir mit dem Arzt sprechen? Oder besser gleich den Herrn aus Asien selbst sehen?«
»Warten Sie«, antwortete die Krankenschwester, während sie zum Telefonhörer griff. »Ich will mal hören, wie es mit ihm weitergegangen ist. Im OP ist er jedenfalls noch nicht, das wüsste ich.«
Sie wechselte ein paar kurze Worte mit ihrem Gesprächspartner, legte den Hörer zurück und deutete auf die Verlängerung des Flurs, aus dem die Kripobeamten gekommen waren.
»Also. Sie gehen um diese Ecke, dann geradeaus, bis links eine Tür kommt, auf der eine Menge
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