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Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Titel: Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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an.
    »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Wie meinen Sie das?«
    »Die Gedanken, die mir beim Anblick seines nackten Oberkörpers durch den Kopf gingen, waren nicht die gütigsten, Herr Kommissar. Ich würde sie aus diesem Grund gerne für mich behalten.«
    »Dann ermuntere ich Sie hiermit ganz offiziell, Dr. Berger, uns an Ihren Gedanken teilhaben zu lassen.«
    Der Mann im weißen Kittel dachte eine Weile nach. Dann spannte er seinen Körper und schloss kurz die Augen.
    »Gut«, begann er leise. »In der Verwandtschaft meiner Frau gibt es einen Kerl, der ähnliche Tätowierungen trägt. Er ist einer ihrer Cousins und, wenn ich das so sagen darf, das schwarze Schaf der Familie. Ich habe ihn auf unserer Hochzeit in Osaka kennengelernt, und der Eindruck, den er auf mich gemacht hat, ist bis heute in meinem Gedächtnis unter der Rubrik ›Vorsicht, Hochspannung‹ abgespeichert. Natürlich würde in Japan niemals ein Mensch ein Wort darüber verlieren oder ihn so nennen, aber meine Frau ist davon überzeugt, dass er ein Yakuza ist.«
    »Ein Yakuza«, paraphrasierte Lenz. »Also ein Krimineller?«
    »Nicht im japanischen Sinn. Oder nicht direkt. Obwohl die Yakuza, also dem Wortsinn nach die Organisationen, seit einiger Zeit verboten sind, genießen ihre Mitglieder, zumindest die der Leitungsebene, eine große Wertschätzung bis in die höchsten Kreise von Politik und Wirtschaft. Es ist auch im heutigen Japan nicht immer ganz leicht, die Grenzen von Legalität zur Illegalität hin genau zu erkennen.«
    »Aber Sie sind der Meinung, dass der Mann, der hier eingeliefert wurde, ein solcher Yakuza ist?«, wollte Hain Dr. Berger auf eine Aussage festnageln. Der schüttelte nur den Kopf.
    »Nein, das würde ich so nicht unterschreiben, Herr Kommissar. Ich gebe aber zu bedenken, dass die Möglichkeit besteht; auch natürlich im Kontext seiner Handlungen, mit denen er sich der Einlieferung ins Krankenhaus zu widersetzen versucht hat.«
    »Das ist nicht von der Hand zu weisen, und wir sind Ihnen dankbar, dass Sie uns auf diese möglichen Zusammenhänge hingewiesen haben, Herr Doktor«, mischte Lenz sich wieder in das Gespräch ein. »Und wenn Sie mehr über diese Yakuza wissen, würde ich Ihnen noch ein wenig zuhören.«
    Wieder schüttelte Berger den Kopf.
    »Da muss ich Sie leider enttäuschen. Mit dem, was ich Ihnen gesagt habe, ist mein Pulver, was das Thema angeht, auch schon weitgehend verschossen. Meine Frau hat mir zwar noch ein paar Dinge über die geschichtlichen Hintergründe und die Entstehungsgeschichte der Yakuza erzählt, doch meine Erinnerung daran ist schon ein wenig verblasst.«
    Er rang sich ein Lächeln ab.
    »Immerhin kann ich mich daran erinnern, dass es tätowierten Menschen in Japan meist verboten ist, öffentliche Badehäuser zu betreten.«
    »Warum das?«
    »Weil auch im modernen Japan der tätowierte Körper als Zugehörigkeitsmerkmal zu einer Yakuza-Organisation verstanden wird. Und mit diesen Menschen will man lieber nichts zu …«
    Er stockte und fasste sich mit der rechten Hand so ungestüm an den Kopf, dass sowohl Lenz als auch Hain einen Schreck bekamen.
    »Herrje, jetzt hätte ich beinahe das Wichtigste vergessen, meine Herren. Seinen rechten kleinen Finger!«
    »Was ist mit seinem rechten kleinen Finger?«
    »An ihm fehlt das erste Glied.«
    Dr. Berger, der Arzt mit der japanischen Frau, sah verdutzt in die Gesichter der beiden Polizisten, die ihn mit offenen Mündern anstarrten.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen, meine Herren?«, fragte er vorsichtig.
    »Ja«, erwiderte Lenz und bog seinen Gesichtsausdruck wieder halbwegs gerade.
    »Überrascht es Sie so sehr, dass unserem Patienten ein Fingerglied fehlt?«
    »Ja, schon«, mischte Hain sich ein. »Wir haben nämlich einen weiteren Asiaten, der allerdings tot ist. Dem fehlt ebenfalls das erste Glied des rechten kleinen Fingers.«
    »Und jetzt fragen Sie sich bestimmt, warum das so ist und wie es zu dieser bemerkenswerten Übereinstimmung kommt?«
    »Das könnte man so sagen, ja«, gab der Oberkommissar zu.
    Dr. Berger lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Lust, meine Meinung dazu zu hören?«
    Lenz nickte eifrig.
    »Gerne, ja. Sie sind im Augenblick unser Mann für alles Japanische, Herr Doktor.«
    Nun steigerte sich das Lächeln des Arztes zu einem ausgewachsenen, herzhaften Lachen.
    »Lassen Sie das besser nicht meine Frau hören, Herr Kommissar. Die wirft mir nämlich von Zeit zu Zeit gerne mal vor, dass

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