Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
Ihnen wissen, wann Sie zuletzt in der Halle gewesen sind«, warf er Serowy genervt an den Kopf.
»Das … war, das … ist … «, stotterte der eingeschüchtert, »schon lange her.«
»Wie lange genau?«
Der Glatzkopf tat, als würde er nachdenken.
»Drei Jahre. Vielleicht vier.«
»Und wann haben Sie mit dieser Frau Dörrbecker den Mietvertrag abgeschlossen?«
»Letztes Jahr«, erwiderte Serowy kleinlaut. »Anfang letzten Jahres.«
»Und wie macht man das in diesem speziellen Fall? Über einen Makler? Am Telefon?«
»Am Telefon. Die Frau hatte erfahren, dass der Oldtimerclub, der die Halle bis dahin angemietet hatte, umziehen würde, und bei mir angerufen. Sie kannte offensichtlich die Örtlichkeiten, war mit dem Preis einverstanden und klang am Telefon ganz manierlich.«
»Hat sie gesagt, was sie mit der Halle vorhatte?«
Wieder tat der kleine Mann so, als würde er überlegen.
»Nein, nicht, dass ich wüsste. Und, offen gestanden, ist mir das auch nicht so wichtig. Wenn die Miete kommt und es keinen Ärger gibt, ist es mir egal, was die Leute mit der Mietsache anstellen.«
Er stellte den Schneeschieber an den Gartenzaun und kratzte sich am Hinterkopf.
»Aber ich wäre wirklich froh, wenn Sie mir sagen würden, warum Sie das alles wissen wollen. Hat diese Frau Dörrbecker Ärger mit der Polizei?«
»Das wissen wir nicht, weil wir bis vor einer Minute nicht mal gewusst haben, dass sie die Mieterin der Halle ist. Wir sind davon ausgegangen, dass zwei Brüder mit dem Namen Eberhardt die Mieter seien.«
»Und ich sagte Ihnen doch, dass ich diesen Namen noch nie gehört habe. Zumindest nicht im Zusammenhang mit meinen Liegenschaften.«
»Gut«, mischte Hain sich ein, »das mag ja alles richtig sein, was Sie sagen, aber so kommen wir nicht weiter.«
Er wandte sich an Serowy.
»Wie wäre es, wenn Sie reingehen und uns die Adresse von Frau Dörrbecker besorgen? Dann wären Sie uns auch schon wieder los.«
Die Aussicht, nicht länger den Fragen der Polizisten ausgesetzt zu sein, erschien dem Mann offenbar so verlockend, dass er sich sofort und ohne jedes weitere Wort in Bewegung setzte und ein paar Minuten später mit einem Zettel in der Hand wieder auftauchte.
»Hier habe ich Ihnen alle Daten aufgeschrieben, die ich von der Dame habe. Mehr kann ich Ihnen wirklich nicht geben.«
»Schon in Ordnung«, erwiderte Hain, griff nach dem kleinen Papierstück und verabschiedete sich.
»Aber warum sind Sie denn nun eigentlich hier gewesen? Hat Frau Dörrbecker sich etwas zuschulden kommen lassen?«
Lenz winkte ab.
»Keine Ahnung. In die Halle können Sie im Augenblick nicht, selbst wenn Sie einen Schlüssel hätten, sie ist nämlich versiegelt.«
Damit drückte er dem total verdutzten Serowy eine seiner Visitenkarten in die Hand.
»Rufen Sie mich in ein paar Tagen an, dann kann ich Ihnen sagen, wie es weitergeht.«
Lenz wollte sich abwenden, überlegte es sich jedoch anders und ging stattdessen einen Schritt auf den Glatzkopf zu.
»Und was den Abstandsverstoß in Bayern angeht, Herr Serowy: Geben Sie ihn einfach zu, wenn Sie es gewesen sind.«
Damit verabschiedete auch er sich und folgte vorsichtig seinem Kollegen über den noch immer nicht geräumten Bürgersteig bis zu dessen Wagen.
16
Watane Origawas Hände zitterten noch immer, obwohl die Begegnung mit ihrem vermeintlichen Mörder schon fast eine Stunde zurücklag, und sie hatte sich in diesen 60 Minuten immer wieder und mit aller Kraft dazu zwingen müssen, mit dem Weinen aufzuhören. Nun saß sie in einer von außen nicht einsehbaren Ecke eines Cafés am Bebelplatz und hielt jene prall gefüllte, lederne Brieftasche in der Hand, die dem Mann gehört hatte, dem ihr Leben nicht einmal ein kurzes Nachdenken wert gewesen war.
»Willst du etwas bestellen?«, fragte die an ihren Tisch getretene Bedienung, eine junge Frau mit hellem Haar und einer kleinen, weißen Schürze über den Jeans.
Watane zuckte bei ihren Worten so sehr zusammen, dass die prall gefüllte Brieftasche aus ihrer Hand purzelte und mit einem satten Geräusch auf dem Holzfußboden aufschlug.
»Sorry«, rief die Bedienung sofort, »ich wollte dich nicht erschrecken. Tut mir echt leid.«
»Das macht nichts«, gab die Japanerin leise zurück, während sie das braune Lederetui vom Boden aufhob. »Es war meine Schuld. Ich war so in Gedanken, dass ich dich gar nicht kommen gehört habe.«
»Kann ich dir etwas bringen?«
»Ja, bitte. Ich hätte gerne einen grünen Tee.«
Die
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