Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
du große Scheiße«, murmelte Watane mit kalkweißem Gesicht.
20
Thilo Hain reihte sich in den noch immer starken Feierabendverkehr ein, regelte die Heizung ein wenig zurück und drehte den Kopf nach rechts, wo sein Boss mit leerem Blick auf die Rücklichter der vor ihnen fahrenden Autos starrte.
»Müde?«, wollte der junge Oberkommissar wissen.
»Wie die Sau«, antwortete Lenz, ohne nachzudenken.
»Dann fahren wir jetzt nicht mehr bei dieser Ilona Dörrbecker, der Hallenmieterin, vorbei, oder?«
Lenz schüttelte den Kopf.
»Das brauche ich heute nicht mehr, Thilo. Außerdem bin ich fest davon überzeugt, dass die Frau uns auch morgen früh noch erklären kann, wie das alles zusammenhängt.«
»Gute Entscheidung«, stimmte Hain zu. »Soll ich dich nach Hause bringen?«
»Nein, danke«, lehnte sein Boss gähnend ab. »Ich will noch ein paar Sachen einkaufen, weil ich heute mit Kochen dran bin.«
»In deinem Zustand?«, feixte der Oberkommissar. »Da solltest du es besser bei einem Feuertopf aus der Dose von Feinkost-Aldi belassen.«
Ohne direkt zu antworten, streckte Lenz sich, gähnte erneut und ließ sich in das weiche Polster des Sitzes zurückfallen.
»Also los, zum Supermarkt, Johann«, ließ er sich schließlich doch noch mit geschlossenen Augen und generöser Geste entlocken.
Im gleichen Augenblick, in dem Hain auf die Wilhelmshöher Allee einbog, meldete sich das Mobiltelefon seines Chefs.
»Geh da bloß nicht dran, wenn es ein Bulle sein sollte«, warnte der junge Polizist. »Sonst können wir garantiert unseren Feierabend in die Tonne hauen.«
»So schlimm wird’s schon nicht werden«, wurde er von Lenz beruhigt, der dabei, ohne das Display zu beachten, auf die grüne Taste drückte und sich meldete.
»Ich hoffe schwer, dass du dir von uns nur einen schönen Feierabend wünschen lassen willst, RW.«
Es entstand eine kurze Pause.
»Leider nein, Paul«, kam es im Anschluss daran zurückhaltend aus der Leitung. »Ich weiß, dass es wirklich zum Kotzen ist, aber wir haben schon wieder eine Leiche.«
Lenz streckte sich und bedeutete Hain, in eine Parklücke am Straßenrand einzubiegen.
»Sag jetzt bloß nicht«, formulierte er widerwillig, »dass es sich bei deiner Leiche um einen Asiaten handelt.«
»Nein, davon weiß ich bisher nichts.«
»Schon was über die Todesursache bekannt?«
»Bis jetzt nichts Konkretes. Die Kollegen der Schutzpolizei haben mir am Telefon erklärt, dass Dr. Franz eine Mitarbeiterin zum Fundort geschickt hat. Und dass die Leiche schon ein paar Tage da rumliegt und alles andere als ein schöner Anblick ist.«
»Das ist doch scheiße«, murmelte der Hauptkommissar leise. »Was ist mit den Kollegen vom KDD?«, wollte er wissen, nachdem Rolf-Werner Gecks nicht auf seine Bemerkung eingegangen war.
»Die könnten das machen, klar, aber wir müssten uns, falls es keine natürliche Todesursache gibt, von denen wieder alles erklären lassen, was ich extrem nervig finden würde.«
Lenz wusste, dass sein altgedienter Mitarbeiter recht hatte. Wenn die Kollegen des Kriminaldauerdienstes den Fall jetzt übernehmen würden, landete der schlechtesten Falls sowieso spätestens morgen früh auf seinem Schreibtisch.
»Ist gut, RW. Wo findet die Veranstaltung denn statt?«
»In der Philippistraße 8, in Rothenditmold.«
Lenz drückte auf die rote Taste an seinem Telefon, holte tief Luft und wollte zu einer Erklärung ansetzen, doch Hain kam ihm zuvor.
»Lass stecken, Paul. Wir blicken dem nie und nimmer gemeuchelten Kameraden tief in die Augen, stellen fest, dass er einem kerngesunden Herzschlag erlegen ist, und fahren ein paar Minuten später glücklich und zufrieden in den wohlverdienten Feierabend.«
Lenz drehte sich nach links, sah dem jungen Polizisten tief in die Augen und zog dabei eine Augenbraue zweifelnd hoch.
»Ho, ho, Brauner. Ich dachte, du hättest aufgehört mit der Kifferei?«
»Hab ich auch, wirklich. Das passte einfach nicht zu einem glücklichen Familienvater. Aber wenn du mich schon dran erinnerst, ich glaube, irgendwo liegt bei mir zu Hause noch ein bisschen Haschisch rum. Das könnte meinen Feierabend, der vermutlich nicht vor Mitternacht zu erwarten ist, ein klein wenig versüßen.«
»Lass es, Thilo«, erwiderte Lenz ebenso pathetisch wie grinsend. »Eine Flucht in die Drogen hat noch niemandem geholfen.«
Hain legte den ersten Gang ein und sah erwartungsvoll nach rechts.
»Wohin?«
»Philippistraße 8.«
»Schöne Gegend.«
»Wenn du
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