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Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Titel: Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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herum, an dem er gesessen hatte, und führte die Polizisten auf den Flur.
    »Wo wir gerade dabei sind, Herr Doktor«, fragte Thilo Hain, »wie geht es eigentlich unserem Japaner?«
    Berger schüttelte kaum merklich den Kopf.
    »Definitiv nicht gut. Wir mussten ihn gestern Abend noch auf die Intensivstation verlegen, weil seine Hoden nicht mehr durchblutet waren, und was das für ihn bedeutet, hatte ich Ihnen ja im Verlauf unseres letzten Gesprächs schon ausführlich erklärt.«
    »Ja, das hatten Sie«, bestätigte der Oberkommissar widerstrebend.
    »Vermutlich wird sich für ihn spätestens morgen früh das Thema Fortpflanzung ein für alle Mal erledigt haben.«
    Der Arzt stoppte.
    »Warten Sie kurz, ich schaue mal rein«, bat er, klopfte vorsichtig an einer Tür und verschwand in dem Zimmer, um kurze Zeit später wieder aufzutauchen.
    »Sie haben Glück, die beiden sind quasi wach. Aber bitte, bleiben Sie nicht so lang, sonst kriege ich am Ende noch Ärger mit meinem Boss, wenn der davon erfährt.«
    »Nein, das machen wir nicht«, machte Lenz eine beschwichtigende Geste. »Ein paar Minuten, länger brauchen wir nicht.«

29
     
    Watane lag mit ihrem Kopf auf Yoko Tanakas linkem Oberschenkel. Obwohl das gleißende Licht sie durch die geschlossenen Augenlider blendete, versuchte sie, einen möglichst schlafenden Eindruck abzugeben.
    Die Männer, die ein paar Sekunden zuvor das Kühlhaus betreten hatten, hielten sich noch im Eingangsbereich auf und sprachen so leise miteinander, dass Watane nichts verstehen konnte. Immerhin konnte sie hören, dass es Japanisch war. Unter ihrem Ohr nahm sie den schnellen, hämmernden Pulsschlag von Yoko wahr, in den Rest ihres zierlichen Körpers drang immer unerbittlicher die Kälte.
    Schritte. Einer der Männer näherte sich, ging an dem Tandem auf dem Boden vorbei und blieb etwa fünf Meter weiter stehen.
    »Den hier?«, fragte er Richtung Ausgang.
    »Ja, das ist der Richtige. Bring ihn her, los.«
    Das Rattern von Rädern auf dem Beton erklang, wurde lauter und fuhr direkt an Watanes Kopf vorbei, wo es kurz verebbte. Watanes Herz schlug bis zum Hals.
    »Die Weiber sind immer noch bewusstlos«, rief der Mann. »Vielleicht sind sie aber auch schon gestorben. Fest genug zugeschlagen haben wir dafür ja auf jeden Fall.«
    Die Worte hatten seinen Mund ohne jede Emotion, ohne jedes Mitgefühl verlassen.
    »Ist doch scheißegal«, kam es als Antwort von der Tür.
    »Für die interessiert sich kein Schwein mehr. Wir sehen nach ihnen, bevor wir gehen, und wenn eine von ihnen noch nach Luft schnappen sollte, drehen wir ihr eben den Hahn zu.«
    Auch dieser Mann sprach von den beiden Frauen, als seien sie Schlachtvieh.
    »Und jetzt bring endlich den beschissenen Hubwagen hier rüber oder willst du die Kisten mit der Hand reinschaffen?«
    »Nein.«
    »Also.«
    »Ist ja schon gut, beruhig dich.«
    Das Rattern schwoll wieder an, wurde leiser und erstarb schließlich. Watane fing leicht an zu zittern.
    Nein, bitte nicht. Wenn sie mitkriegen, dass wir bei Bewusstsein sind …
    Die junge Frau wollte den Gedanken nicht zu Ende denken.
    In der Entfernung wurden Geräusche laut, die an das Aufeinanderstapeln von Paketen erinnerten. Dazwischen immer wieder einmal das Ächzen eines Mannes.
    »Scheiße, ist das verdammte Zeug schwer«, verstand sie einmal.
    Yokos Hand bewegte sich unter ihr, griff kurz zu ihrer Rechten, drückte sie und wurde wieder schlaff. Für Watane war diese kurze Geste so etwas wie ein Zeichen. Ein Zeichen, dass sie nicht allein war.
    Dann setzte erneut das Rattern der Hubwagenräder ein, und das Gefährt näherte sich wieder den auf dem Boden liegenden Frauen. Im gleichen Augenblick, in dem die Geräusche erahnen ließen, dass der Wagen gleich wieder das Menschenbündel auf dem Boden passieren würde, durchfuhr Watane ein Schmerz im Unterschenkel, der ihr für ein paar Sekundenbruchteile den Atem raubte. Vor ihren geschlossenen Augen flammten Myriaden von Sternen auf und alles in ihr wollte schreien, losbrüllen oder zumindest mit der Hand an die stechende, schmerzende Stelle greifen. Und doch passierte nichts davon. Kein Laut drang aus ihrem Mund, kein Zucken verriet, dass die junge Frau einen Schmerz durchlebte, dessen Möglichkeit der Existenz sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal geahnt hatte. Es passierte auch nichts, als der Mann mit der Hubwagengabel in der Hand versuchte, die auf dem Stahlkarren liegende Palette mit größter Kraftanstrengung über ihren

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