Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
ist.«
»Das ist wirklich eine gute Idee«, lobte Lenz seinen Mitarbeiter.
»Was soll ich sagen?«, gab der grinsend zurück, »ich bin nun einmal der Mann der guten Ideen. Allerdings müssen wir vermutlich bis morgen früh warten, bevor wir eine Antwort bekommen.«
Er wandte sich an seinen Chef.
»Aber die Zeit bis dahin können wir ja nutzen und ins Klinikum fahren. Vielleicht hat Herr Röder die Typen gesehen und kann uns einen Tipp geben, nach wem wir suchen müssen.«
»Aber der Notarzt sagt, die beiden …«
»Ja, Lemmi, ich weiß. Der Notarzt sagt immer, dass die Leute, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden, kurz vorm Abnippeln sind. Es kostet uns nichts, das zu überprüfen, und hier können wir im Augenblick ohnehin nichts tun. Und wenn uns einer von den Spurensicherern hier rumstehen sehen würde, hätten wir ohne Frage sofort die Pest am Hals.«
»Ja, du hast ja recht, Thilo«, sah Lehmann knurrend ein. »Dann fahrt ihr beiden jetzt ins Klinikum, und ich sehe zu, dass hier alles seinen geregelten Gang geht.«
*
»Danke, dass du bei diesem blöden Disput zwischen Lemmi und mir eben dazwischengegangen bist, Thilo«, meinte Lenz auf dem Weg zu Hains Wagen, den der Oberkommissar direkt hinter seinem geparkt hatte.
»Ja, schon gut. Aber irgendwann mache ich so was nicht mehr und lasse den Rest der Welt auf dich, und dich auf den Rest der Welt losgehen.«
»Das wäre nicht gut, und an einem Tag wie diesem schon gar nicht«, bemerkte Lenz ein wenig beschämt und stieg in den noch stark nach Neuwagen riechenden Kombi.
»Und warum bist du eigentlich so schnell wieder in Kassel gewesen? Du musst doch genauso müde sein wie ich.«
»Müde bin ich«, bestätigte Hain und musste wie auf Kommando gähnen. »Allerdings wollten meine beiden Sprösslinge das ganz und gar nicht sein, weswegen ich bis vor einer Stunde abwechselnd mit dem einen und dem anderen Runden durch die Wohnung gedreht habe. Dabei dudelte im Hintergrund das Radio, und als ich gehört habe, dass in der Mombachstraße eine Lagerhalle in Flammen steht und deshalb der Verkehr weiträumig umgeleitet wird, musste ich nicht groß nachdenken. Nun sitzt Carla mit den Bengels auf dem Sofa, und ich muss mich nur noch mit einem Kind rumärgern.«
»Angekommen.«
»Gut so.«
Den Rest der kurzen Fahrt brachten die beiden schweigend hinter sich. Lenz ging der Wortwechsel mit Lehmann noch einmal durch den Kopf, und er fragte sich ernsthaft, ob nicht die Zeit gekommen wäre, jene latent aggressiven Teilbereiche seiner Persönlichkeit mit einem Fachmann oder einer Fachfrau zu besprechen. Ohne eine zufriedenstellende Antwort auf diese nicht unwichtige Frage gefunden zu haben, ging er ein paar Minuten später neben seinem Kollegen auf die Tür der Station zu, wo das Ehepaar Röder nach Auskunft der Pforte behandelt wurde.
»Guten Morgen, meine Herren«, wurden die Kripobeamten von dem gleichen Arzt empfangen, mit dem sie ein paar Stunden zuvor wegen des Japaners mit den zerstörten Hoden gesprochen hatten, nur sah er jetzt deutlich müder und abgespannter aus. »Um diese Uhrzeit hätte ich nicht mit Ihrem nächsten Erscheinen gerechnet.«
»Morgen, Dr. Berger«, erwiderte Lenz den Gruß, trat auf den Arzt zu und reichte ihm die Hand. Hain beließ es bei einem freundlichen Nicken. »Wir sind auch nicht wegen unseres japanischen Freundes hier, sondern wegen des Ehepaares Röder. Die beiden müssten vor nicht allzu langer Zeit bei Ihnen eingeliefert worden sein.«
»Ja, klar, die sind mit einer Rauchgasvergiftung hier auf der Station gelandet. Im Augenblick liegen sie nebeneinander in einem unserer Zimmer und atmen reinen Sauerstoff.«
»Steht es schlimm um sie?«
»Nein, ganz und gar nicht. Nach unseren ersten Untersuchungen haben die beiden richtiges Glück gehabt. Kennen Sie das Ehepaar?«
»Wir haben sie heute Nachmittag kennengelernt, ja.«
»Aha.«
»Meinen Sie«, wollte Lenz direkt wissen, »wir könnten kurz mit ihnen sprechen?«
Dr. Berger dachte nach.
»Ich wüsste nicht, was dem im Weg stehen könnte; es sei denn, sie sind eingeschlafen, dann würde ich sie nur sehr ungern wecken.«
»Das verstehe ich. Aber es wäre für uns sehr, sehr wichtig, mit ihnen zu sprechen.«
»Gut«, beschied sie der Mediziner nach einer weiteren kurzen Bedenkzeit, »ich gehe mal rüber und schaue, wie es bei ihnen aussieht. Wenn Sie möchten, können Sie mich gern begleiten, meine Herren.«
Damit erhob er sich, kam um den kleinen weißen Tisch
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