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Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Titel: Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Unterschenkel zu zerren. Einzig eine einsame Träne verließ Watanes linkes Auge, doch diesem Umstand hätte der keuchende Mann wahrscheinlich auch dann keine Bedeutung beigemessen, wenn er ihm aufgefallen wäre.
    »Scheiße«, murmelte er.
    »Was ist denn da los?«, fragte eine dunkle Stimme aus dem Hintergrund. »Träumst du oder warum geht es nicht weiter?«
    Wenn Watane in ihrem akuten Zustand etwas nicht gebraucht hätte, so war es mit Sicherheit diese Stimme. Die unverwechselbare, bedrohlich klingende Stimme von Daijiro Tondo.
    »Ich habe den Hubwagen verklemmt. Aber das ist gleich …«
    »Halt den Mund, du Kretin.«
    Gemurmel.
    Schritte wurden laut, die auf die beiden Frauen und den Mann über ihnen zukamen.
    »Gib her«, forderte jemand, und im gleichen Sekundenbruchteil durchzuckte Watane eine erneute Schmerzwelle.
    Ein kurzes Rattern der Räder, danach Stille. Zwei kurze Schritte.
    »Los, hilf mir, diese Scheißnutten aus dem Weg zu räumen.«
    Wenn Watane Origawa bis zu diesem Zeitpunkt in dieser Nacht gedacht hatte, dass es ihr nie im Leben mehr schlechter würde gehen können, wurde sie nun schlagartig eines Besseren belehrt, denn der Typ, der sie eben noch als Scheißnutte bezeichnet hatte, griff ihr in die Haare, riss die junge Frau daran hoch und begann gleichzeitig, sie zur Seite und damit aus dem Weg zu zerren.
    Die absolut jeden Gedanken und jede andere Empfindung überlagernde Schmerzwoge, die von der Aktion des Mannes im Kopf der Japanerin ausgelöst wurde, hatte etwas wirklich Animalisches, und für einen Sekundenbruchteil erschien Watane der Tod als einzig erstrebenswerte Alternative zu diesem Martyrium.
    Schrei doch , dachte sie, dann wird er dich umbringen, und die Schmerzen sind vorüber.
    Die Hacken ihrer Schuhe schrammten über den Betonboden, wobei einer sich von ihrem Fuß löste und im hohen Bogen davonflog.
    Wenn ich nicht so schlank und so leicht wäre, hätte er mir garantiert schon alle Haare ausgerissen.
    Ihr Kopf war kurz davor zu explodieren, ihr Hintern schlug mit jedem Schritt des Mannes über ihr hart auf, die tiefe Fleischwunde an ihrem rechten Unterschenkel brannte wie ein Höllenfeuer, und der nun ungeschützt und wild herumschleudernde Knöchel des anderen Fußes, von dem sich der Schuh gelöst hatte und der im Takt jedes Aufpralls große Hautpartien verlor, wurde von einem stechenden Schmerz verzehrt. Und doch kam aus ihrem Mund kein Laut. Nichts.
    Ein kurzer, finaler Ritt um eine Ecke, danach lockerte ihr Peiniger seinen Griff und ließ ihre langen schwarzen Haare aus seinen Händen gleiten.
    Klock, machte es, als ihr Kopf zum zweiten Mal in dieser Nacht auf dem Beton des Bodens aufschlug.
    »Nein, die nicht«, drang an ihr Ohr, in dem noch immer das Blut heiß pulsierte.
    »Aber …«
    »Was aber? Ich habe es mir anders überlegt, was sie betrifft.«
    Wieder Daijiro Tondos durchdringende Stimme.
    »Lebt sie noch?«
    Offenbar ging es nun um Yokos Schicksal, und obwohl Watane wegen der unmenschlichen Schmerzen, die sie durchlitt, kaum in der Lage war, einen vernünftigen Gedanken zu fassen, durchströmte sie bei der Perspektive, die Tondo seiner Verwandten soeben eröffnet hatte, eine tiefe Erleichterung.
    Yoko wird nicht sterben müssen. Nicht heute!
    »Ja, sie atmet.«
    »Dann bring sie her. Sofort!«
    »Ja, Herr Tondo.«
    Watane hätte am liebsten losgelacht. Ihr Körper fühlte sich an, als ruhte er auf einer Lage Watte; weiche, warme, wohlige Watte.
    Sie schwebte.
    Wider besseres Wissen, aber vergeblich, versuchte die junge Frau, ein Auge zu öffnen.
    Ich will etwas sehen. Ich will sehen, wo ich bin.
    Dunkelheit.
    JAL-Flug 428 begrüßt alle seine Passagiere auf dem Flug von Frankfurt nach Osaka. Unser Boarding ist beendet, wir werden in etwa 15 Minuten starten. Bis dahin bitten wir Sie, sich mit dem Prozedere für einen eventuellen Notfall vertraut zu machen. Dazu beachten Sie bitte die Hinweise auf den Monitoren über …
    »Los, beeil dich, du Idiot! Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.«
    Die Stimme Tondos hatte Watane aus der herrlich schmerzfreien Bewusstlosigkeit, in die sie abgeglitten war, gerissen.
    »Los, los, los!«
    Meine Damen und Herren, wir landen in weniger als 30 Minuten auf dem Kansai International Airport. Bitte legen …
    Die junge Frau bewegte sich in einem permanenten Drift zwischen peinigender, brutaler Realität und wunderbarem Nichts der Ohnmacht.
    »Gut so.«
    Die Stimme des Mannes, der sie an den Haaren durch die Kühlhalle geschleift

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