Menschenskinder
räsonierte, mir war es ja nicht anders ergangen. Papis schieben zwar bei gemeinsamen Spaziergängen den Kinderwagen, unterstützen auch die ersten Gehversuche ihrer Sprösslinge und bringen ihnen sogar das Dreiradfahren bei, doch sobald sie sich bei derartigen Unternehmungen eine blutige Nase holen, werden die lieben Kleinen ganz schnell zur Mami gebracht. »Haben wir noch Heftpflaster im Haus? Wenn nicht, hole ich schnell welches.« Ob beim Nachbarn oder in der Apotheke, bleibt offen, abgesehen davon ist natürlich welches da, sogar in fünf verschiedenen Größen, was Papi auch weiß, doch jetzt hat er endlich einen Grund, sich eine Zeit lang aus dem Verkehr zu ziehen. Dreijährige können nämlich ganz schön anstrengend sein! Siebenjährige auch. Die wollen morgens um halb zehn bei absoluter Windstille mit Papi den neuen Drachen steigen lassen oder ihm am Computer zeigen, wo Mami immer die ganz toll billigen Kleider bestellt. Andererseits sind sie aber noch zu dämlich, rechtzeitig die Strippe vom Rasenmäher wegzuziehen, bevor Papi drüberfährt.
Doch, es hat schon triftige Gründe, wenn viele Väter ein zwiespältiges Verhältnis zum schulfreien Samstag haben ausgenommen natürlich jene Papis, die Lehrer sind.
»Na schön, dann dekorieren wir aber gleich nach dem Mittagessen«, hatte Karen eingewilligt, »zur Sportschau muss ich wieder zu Hause sein. Heute spielt Stuttgart um ganz wichtige Punkte, da braucht Siggi seine Ruhe, keine Kinder und den Fernseher ganz für sich allein.«
»Ich denke, Timo steht auch auf Fußball?«
»Und wie! Nur brüllt er leider für den falschen Verein. Wenn der Vater für Stuttgart ist und der Sohn für München, fördert das nicht gerade den Familienfrieden, zumal die Stuttgarter in der Tabelle ziemlich weit unten herumkrebsen.«
»Anfang der fünfziger Jahre sind sie aber schon mal deutscher Meister gewesen«, fiel mir ein.
Karen staunte. »Ich denke, du hast dich noch nie für Fußball interessiert?«
»Habe ich auch nicht, aber seinerzeit hatte ich mir wochenlang den Liebeskummer meiner damals besten Freundin anhören müssen. Die hatte sich hoffnungslos in den Torhüter verknallt und wollte ins Wasser gehen, wenn sie von ihm nicht wenigstens ein Foto mit Autogramm bekäme, oder vom Dach springen, weiß ich nicht mehr, jedenfalls was Spektakuläres tun, damit es auch in die Zeitung käme und Toni Turek für den Rest seines Lebens von Schuldgefühlen zermartert würde.
»Und? Hast sie’s gekriegt?«
»Das Autogramm? Nee, aber sie lebt heute noch.«
Karen nickte weise. »So isses mir mit Brad Pitt gegangen!« Ihr Blick ging ziellos in die Ferne, gefolgt von einem leisen Seufzer. »Da geht man ins Kino, sieht sich anderthalb Stunden lang dieses Bild von einem Mann an, träumt sich mit ihm auf eine einsame, paradiesische Insel, dann ist der Film aus, es wird hell, und neben dir sitzt die Realität und schiebt sich die letzte Hand voll Popcorn in den Mund.«
Ich lachte laut los. »Zugegeben, zwischen Brad Pitt und Siggi bestehen einige Unterschiede, vor allem finanzielle, aber ich gehe jede Wette ein, dass Siggi der solidere von beiden ist.«
»Eben! Nur hast du das sehr taktvoll ausgedrückt. Ich hätte nämlich ›langweilig‹ gesagt.«
Bei strahlendem Sonnenschein und Freibadtemperatur trafen wir uns am frühen Nachmittag vor jenem Haus, in dem Nicki und Jörg die untere der beiden Wohnungen gemietet hatten, recht komfortabel mit überdachter Terrasse und großem Garten. Doch, natürlich strebe man etwas Eigenes an, hatten sie unlängst gesagt, vielleicht in zwei bis drei Jahren, wenn das Neubaugebiet voll erschlossen sein würde. Zur Zeit seien die drei Zimmer mit der großen Essdiele wirklich genug, und solange noch kein Nachwuchs geplant sei …
»Sie hat doch tatsächlich ›geplant‹ gesagt«, hatte ich mich später aufgeregt. »Wenn wir seinerzeit geplant hätten, wäre sie gar nicht auf der Welt.«
Rolf hatte mich nur angesehen und dann hinterhältig gegrinst. »Und wenn’s damals schon diese niedlichen MiniBikinis gegeben hätte, wäre Sven heute mindestens zwei Jahre älter!«
Doch ich schweife mal wieder vom Thema ab.
Ursprünglich hatte Nicki vorübergehend alle Schlüssel einsammeln wollen, die sie seinerzeit so großzügig an uns verteilt hatte. »Es kann ja immer mal was sein, und dann ist es schon gut, wenn du jederzeit in die Wohnung kannst«, hatte sie zu mir gesagt und die Gefahrenpunkte aufgezählt. »Ich kann zum Beispiel die Treppe
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