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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Mineralwasserkästen im Zimmer und malte mein Kreuz in das Ja-Feld. Steffi, wenn auch seufzend, ebenfalls. Danach wurden wir Gisela überantwortet, offenbar Mädchen für alles, auf dass sie uns die Räumlichkeiten zeige. Sie begannen in dem schon bekannten Kaminzimmer und endeten im Kellergeschoss, wo es nicht nur diverse rosa tapezierte Kabinen mit einer Art Zahnarztstuhl in der Mitte gab, sondern auch gekachelte Räume mit Badewannen, Duschen, einer Sauna, einer Sonnenbank und last but not least natürlich einen Fitnessraum mit martialisch aussehenden Geräten.
    Im Gegensatz zu mir, die fünf Kilometer auf dem Fahrrad schon als sportliche Höchstleistung ansieht, tobt sich Stefanie zweimal pro Woche in so einem Fitnessladen aus und war entsprechend begeistert von dem hiesigen Angebot. »Toll, da weiß man wenigstens, was man abends machen kann!« (Nein, bitte keine verfrühten Lorbeeren! Meine Tochter hat während der ganzen Woche diesen Raum nur ein einziges Mal betreten, und das war, als sie den Wasserball geholt hat.)
    Nachdem wir alles besichtigt und nebenbei erfahren hatten, dass die Teilnahme an der Morgengymnastik absolut freiwillig sei, wünschte uns Gisela noch einen schönen Abend, und damit waren wir endlich entlassen. Während Steffi unter der Dusche stand, öffnete ich wieder das Fenster. Der Duft nach Grillwürstchen war verflogen, jetzt roch er nur noch nach Blumen und nach nassem Gras, weil sich weiter hinten ein Rasensprenger drehte.
    »Ich glaube, heute Nacht werden wir herrlich schlafen, weil wir das Fenster ganz weit offen lassen können«, sagte ich, als Steffi, jetzt auch im weißen Mantel, aus dem Bad kam. Das war aber, bevor ich die erste Mücke auf meinem nackten Arm entdeckte und zuschlug. Die zweite erwischte ich auch noch, die dritte hatte bereits gestochen. In die Wade. Weitere befanden sich im Anflug. Ich knallte das Fenster wieder zu. »Hast du eventuell Autan dabei?«
    Im Park flammten die Lichter auf, in unregelmäßigen Abständen neben den Wegen, verschwenderisch rund um die große, mit Natursteinen bedeckte Sitzecke. Sie saßen auch schon da, die fünf weißen Bademäntel, von denen wir vier bereits kennen gelernt hatten. Vor ihnen auf dem Tisch standen Gläser und Wasserflaschen, aber dazwischen …? Nein, das konnte nicht sein, da musste ich mich irren. Wahrscheinlich brauchte ich jetzt doch eine Brille für ständig, nicht bloß die zum Lesen. Hatte mich nicht Hannes erst unlängst gefragt, ob ich heroinabhängig sei.
    »Aber sonst fehlt dir nichts, nein?«, hatte ich mit einem unmissverständlichen Handzeichen Richtung Stirn gefragt. »Was bringt dich denn auf diese absurde Vermutung?«
    »Weil du immer ganz kleine Pupillen bekommst, wenn du in der Ferne etwas erkennen willst.«
    Jetzt erkannte ich zwei Weinflaschen auf dem Tisch, oder bildete mir zumindest ein, welche zu sehen. »Komm mal her, Steffi, was trinken die da drüben?«
    Sie sah nur flüchtig hinüber. »Na, Wein natürlich. Wenn du das nicht mal mehr siehst, solltest du schleunigst zum Augenarzt! «
    »Ich hab’s ja erkannt, nur glaube ich es einfach nicht.«
    »Dann stell dich endlich unter die Dusche, zieh deine Frotteekluft an und komm nach. Ich gehe schon mal raus. Oder willst du lieber ins Bett?«
    »Kurz vor neun?«
    Sie holte eine Wasserflasche aus dem Kasten, steckte je ein Glas in die Manteltaschen und trabte ab. »Ich nehme deins schon mal mit. Bis gleich!«
    Das Bad war relativ groß, hatte sogar zwei Waschbecken, eine moderne Dusche, eine altmodische Toilette und herrlich antiquierte Armaturen, die trotzdem noch funktionierten. Allerdings gab es keine Mischbatterien, man musste also mit beiden Wasserhähnen spielen, bis die einem genehme Temperatur erreicht war. Dafür waren es goldene Hähne, und die hat ja nicht jeder!
    Schnell abtrocknen, ein bisschen Creme ins Gesicht, und dann hinein in den herrlich flauschigen Bademantel. Nur – irgendwas stimmte da nicht. Die Ärmel reichten bis zu den Fingerspitzen, der Saum schleifte auf dem Boden, und als ich den Mantel schließen wollte, wusste ich nicht, wohin mit den Stoffmengen. Den Gürtel hätte ich bequem zweimal um die Taille wickeln und mich immer noch daran aufhängen können. Ich zog das Teil wieder aus und suchte nach dem Etikett. Aha, XXL, trägt Tom immer, und der ist 1,96 m groß. War nun der Bademantel auf meinem Bett lediglich ein Versehen, oder hatte ich dieses Zirkuszelt dem Vorurteil zu verdanken, ab einem gewissen Alter entspräche

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